Bewusst, minimalistisch und selbstbestimmt leben

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Bewusst, minimalistisch und selbstbestimmt Leben

Hallo Stephan, wir kennen uns schon ein wenig. Für die Leser:innen würde ich aber gerne vorweg ein paar Informationen zusammenfassen, um die Hintergründe des Gesprächs besser einordnen zu können. Korrigiere mich, falls ich falschliege. Du bist studierter Jurist, hast lange als freier Autor gearbeitet, aber auch als festangestellter Autor und Journalist. Du hattest ein Musiklabel und bist immer noch fest in der Musikwirtschaft verankert. Jetzt veröffentlichst du dein erstes Buch mit dem Claim “Bewusst, minimalistisch und selbstbestimmt Leben”. Das klingt im allerersten Moment ein wenig nach Lebensratgeber. Kannst du zusammenfassen, um was für ein Buch es sich handelt?

Ja, gerne. Der Untertitel stammt aber tatsächlich nicht von mir, sondern vom Verlag und ist mir ein wenig “untergeschoben” worden. Ein bisschen als Verkaufsargument. Was soll man sich unter dem Titel “Zen Style” alleine auch vorstellen? Man muss ja auch die Aufmerksamkeit der Menschen erreichen und das in Zeiten, in denen die Aufmerksamkeit vieler auf wenige Sekunden lange TikTok-Videos gerichtet ist und da vertraue ich meinem Verlag. Die wissen, wie man ein Buch vermarktet und die meinten, es wäre gut, einen Untertitel zu haben, der ein wenig mehr über das Buch sagt. Mit dem Claim "Bewusst, minimalistisch und selbstbestimmt Leben” konnte ich mich dann gut anfreunden. 

Um auf deine Frage zu antworten: Ich würde schon sagen, dass es ein Ratgeber ist. Unter Leuten, die sich als ernsthafte Schriftsteller verstehen, kann das durchaus als abwertender Begriff verwendet werden, aber ich finde das gar nicht schlimm. Ich finde Ratgeber völlig in Ordnung. Auch Seneca hat letztendlich Lebensratgeber geschrieben, auch andere große Philosophen der Geschichte haben am Ende des Tages eigentlich nur aufgeschrieben, was sie glauben, was ein gutes Leben ausmacht. Und das Gleiche habe ich auch versucht zu tun. 

Ich habe mehrere Jahre Recherche betrieben, weil ich an einem Punkt war, wo ich nicht wusste, was mich glücklich macht oder ob/wie dieses Projekt “Leben” gelingen kann. Die Recherche, die ich betrieben habe, ging über alle möglichen Disziplinen hinweg, angefangen bei Philosophie über Soziologie bis hin zu Literatur und Kunst. Die Ergebnisse dieser Recherche findest du in “Zen-Style”. Also Ratgeber ist vermutlich schon die richtige Kategorisierung. Er vereint auch viele Grundlagen und Theorien, die gar nicht von mir sind. Ich “sample” eigentlich, wie im Hip-Hop. Ich “sample” Philosophen, buddhistische Lehrer:innen oder Psycholog:innen und diese Stimmen sample ich zu einem neuen “Track” und das ergibt dann meine kuratierte Lehre oder Lebensweisheit, wenn du so willst.

Wenn ich das richtig verstehe, hast du damit also deinen Lebensweg collagiert und versuchst aus deiner Praxis und Erfahrung heraus diesen erlebbar für andere zu machen, sehe ich das richtig?

Kann man genau so sagen, ja. Vor allem versuche ich eine Alternative zu dem Lifestyle aufzuzeigen, den ich aktuell bei vielen Menschen beobachte. Bei Freund:innen oder Menschen in der Industrie, in der ich arbeite. Sehr getrieben, ständig online, ständig digital konsumierend. Dieser Zen Style ist also etwas wie ein analoger Gegenentwurf dazu. Ein Aufruf, mal das Handy auszumachen, mit den Händen in der Erde zu wühlen, die Umwelt achtsamer zu betrachten und nicht von einem Termin zum nächsten zu hetzen. Das möchte ich nicht mit dem erhobenen Zeigefinger erzählen, sondern das erzähle ich vor allem auch mir selbst, da ich sehr anfällig bin für diesen Lifestyle und diesen auch über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte genauso gelebt habe. 

Das ist auch schon ein wenig die Antwort auf meine nächste Frage: Wie kamst du denn auf die Idee, deine Erfahrungen in ein Buch zu gießen?

Ich bin seit 20 Jahren Journalist und Autor, dadurch lag es irgendwie nahe, ein Buch zu schreiben. Ich hatte nur nie die richtige Idee. Ich bin auch eher Journalist als Schriftsteller. Mit fiktiven Inhalten bin ich nicht besonders gut, deswegen wollte ich, wenn überhaupt, ein Sachbuch schreiben.

Ich habe im Oktober 2018 einen Wanderurlaub im Harz gemacht und war sehr disconnected von allem. Da habe ich den Entschluss gefasst, alle meine Social-Media-Kanäle zu löschen. Dieser Entschluss ist lange gereift und in diesem Urlaub habe ich mich dann jeden Abend drangesetzt. Da merkt man plötzlich: Das ist gar nicht so einfach, weil ganz viele Accounts miteinander verknüpft sind, aber es hat mich extrem befreit.

Allerdings bin ich kein Einsiedler, ich stehe gerne mit Menschen in Kontakt und musste feststellen, dass ich keine Möglichkeit der Kommunikation mehr hatte. Meine Lösung war dann, einen persönlichen Blog zu schreiben. Den habe ich meinen Freunden geschickt und diese auch gebeten, mir Feedback zu geben.

Angefangen hatte ich mit einer Chronik über meinen Social-Media-Ausstieg, danach bin ich immer tiefer in verschiedene Themen gekommen: Minimalismus, Achtsamkeit, Zen-Buddhismus, Meditation. Das war dann eine recht natürliche Entwicklung. Ich habe immer mehr recherchiert und auch geschrieben. Immer häufiger habe ich irre gutes Feedback bekommen, irgendwann habe ich in die Statistiken geschaut und gesehen, dass schon 100.000 Leute meinen Blog aufgerufen haben – da war ich hin und weg. Es kam dann auch immer häufiger der Hinweis: “Mach doch mal ein Buch da draus.”

Also hat dich im Endeffekt dein Social-Media-Ausstieg dazu bewegt, ein Buch zu schreiben.

Das war zumindest der Anfang. Ich hatte Jaron Lanier gelesen, “10 Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst”, und das hat mir so den letzten Anstoß gegeben. Ich war natürlich vorher schon ein Gegner von diesem “Social-Media-Game” und dem “Grind” - gerade in der Musikwelt. 

Lanier hat mir nochmal aufgezeigt, dass es nicht nur mein individuelles Gefühl ist, von ständigen Notifications überstimuliert zu sein, sondern dass es auch darüber hinaus für die Gesellschaft negative Konsequenzen hat. Der Aufstieg der autoritären Rechten  in vielen Staaten korreliert direkt mit Social Media. Man kann auch mit Fug und Recht behaupten, dass bestimmte Genozide in Süd-Ost Asien sehr direkt mit Social Media zu tun haben oder in Indien bestimmte Hetz-Videos über WhatsApp verbreitet wurden und sich Menschen dann einem Lynchmob gegenüberstehen sahen. Diese Erzählung über Social Media, die es Anfang der 2010er gab, dass es die Welt vernetzt und sich Menschen näherkommen, hat Kratzer bekommen. Und heute ist das auch fast allen Leuten klar, weil sie z. B. bei The Social Dilemma auf Netflix gesehen haben, dass es auch eine total negative Seite gibt. 

Das war vor drei, vier Jahren noch ein wenig anders. Da haben die meisten nur Positives darin gesehen und in meinem Umfeld gab es auch einen gewissen “Zwang”, diese Tools zu benutzen im Sinne von “naja, ohne geht es nicht”. Da habe ich mich unfrei gefühlt und meine Reaktion darauf war “ich glaube es geht auch ohne”. Das zu beweisen war da auch ein Stück weit der Antrieb zum Schreiben des Buches.

Wie viel Platz nimmt das Thema in deinem Buch ein?

Das Buch hat 30 Kapitel, genauso viel wie J Dillas “Donuts”, weil ich das Gefühl hatte, die Kapitel sind kurze, in sich geschlossene Geschichten, die zusammen etwas Größeres ergeben. Donuts war für mich ein Album, welches genau das war. Kurze Loops, die zusammen eine größere Summe waren.

Drei oder vier Kapitel haben mit Social Media zu tun. Es spielt also keine unwichtige Rolle, aber es ist kein zentraler Baustein. Dagegen spielt es im Leben von vielen von uns eine sehr große Rolle. Da ist es fast schon ein radikaler Gedanke, Social Media beiseitezulassen und ich bin leider auch nicht 100 % konsequent. Ich habe einen beruflichen Account, um in bestimmten Themen nicht komplett abgeschnitten zu sein. Es ist also kein Aufruf, alles sofort zu löschen, sondern eher ein Anstoß dazu, den Konsum zu überdenken und dem vielleicht keine ganz so große Rolle im eigenen Leben einzuräumen.

Um das Thema ein wenig zu wechseln: Du sagtest, du hast viele Autoren “gesampelt”. Würdest du da neben J Dilla noch jemanden erwähnen wollen?

(Lacht) J Dilla war wirklich nur für die Struktur ausschlaggebend. Aber ja klar, ohne Ende. Ich erwähne natürlich auch alle in dem Buch und “credite” meine Samplequellen. Ich erwähne Menschen und z. B. buddhistische Lehrer:innen wie Jack Kornfield und Pema Chödrön. Eckhart Tolle ist ein spiritueller Lehrer, der mich sehr inspiriert hat, gerade zu Beginn meiner Reise in die Spiritualität. Vor allem, weil ich nie ein sehr spiritueller Mensch war. Ich war immer Atheist aus einem 68er-Haushalt, wo Religion keine Rolle gespielt hat. Spiritualität hatte für mich immer etwas “Anrüchiges”. Als Intellektueller aus dem Westen war das etwas, wo es Berührungsängste gab. Lebenskrisen haben dazu geführt, dass ich das in Frage gestellt habe. Seit tausenden von Jahren gibt es Menschen auf der Erde und darunter waren sehr schlaue, die sich auch schon mit den gleichen Fragen beschäftigt haben, die ich mir gestellt habe. 

Diese Menschen sind natürlich für mich in erster Linie Philosoph:innen, Schriftsteller:innen, aber vor allem buddhistische Lehrer:innen. Wobei ich nicht sagen würde, ich bin Buddhist. Ich habe mich sehr lange mit Meditation und Achtsamkeit beschäftigt und tue es noch. Ich praktiziere täglich eine Form der Meditation, die aus dem Zen-Buddhismus kommt und habe viele Retreats mitgemacht. Ich war bei verschiedenen Lehrer:innen in Mediationskursen. Das Buch ist allerdings kein Buch über den Zen-Buddhismus und auch kein Aufruf, dass jetzt alle Zen-Buddhist:innen werden sollen. Es ist eher der Aufruf, sich mit spirituellen Themen zu beschäftigen, weil ich glaube, dass es essentiell ist, um ein glückliches Leben zu führen. Wenn du z. B. glaubst, dass die christliche Kontemplation der Weg ist, den du spirituell gehen willst oder wenn du denkst Hatha Yoga oder die Derwisch-Tänze der muslimischen Sufi-Mystiker sind es, dann finde ich das genauso interessant und wichtig. Nur für mich persönlich war es der Zen Buddhismus, der mich reingezogen hat. Mir hat es gezeigt da gibt es Dinge abseits von Geld, Status, Macht und “Pleasure”. 

Also abseits der Genugtuung von Materialismus im Endeffekt?

Genau, ich habe das Gefühl, dass gerade wir im Westen in unserer Zeit nur für “Instant-Gratification” leben. Wir wollen von einem guten Gefühl ins nächste, wir glauben, dass eine Verkettung von guten Momenten ein gutes Leben ergibt. Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass das eine total irre Annahme ist, weil Glück auch aus Höhen und Tiefen besteht. Wenn du die ganze Zeit ganz oben bist, spürst du keine Ausschläge. Du musst die Tiefen spüren, um die Höhen empfinden zu können. Es gibt einen norwegischen Philosophen, den ich viel in meinem Buch zitiere, Arne Næss, der hat eine Glücksformel entwickelt, die sinngemäß lautet: Je mehr Anstrengung du investierst, desto glücklicher bist du, wenn du es bekommst. 

Ganz praktisch habe ich das bei Meditations-Retreats gespürt, die sehr anstrengend sein können oder als ich mit meiner Frau beschlossen habe, einmal zu Fuß über die Alpen zu gehen. Wir wandern beide gern und die Alpen sind uns am nächsten. Wir waren mehrfach davor aufzugeben. Du schläfst in Hütten mit Stockbetten, du hast keinen Handyempfang, du schwitzt, du frierst, du hast Hunger, es ist sau anstrengend. Warum macht man das? Nur weil man sich dazu entschlossen hat und wenn man es geschafft hat, ist es ein unglaublich befreiendes Gefühl, das dir ganz viel gibt. Aber es ist nicht “Pleasure”, es ist nicht einfach ein guter Moment, es ist nicht das Paradies, wo du am Pool liegst und dir die gebratenen Tauben in den Mund fliegen.

Wie viel dieser Erfahrungen steckt davon in deinem Buch? Ich durfte ja bereits die ersten zwei Kapitel lesen und da geht es z. B. um ein Retreat.

Ich erzähle auf jeden Fall von den Dingen, die ich erlebt habe, auch von dieser Alpenwanderung erzähle ich viel. Auch von anderen Erlebnissen, die mir auf praktische Weise gezeigt haben, dass die theoretischen Grundlagen, die ich mir erarbeitet habe, auch wirklich stimmen. In 2000 Jahren Kulturgeschichte und Philosophie scheint es einen gemeinsamen Nenner zu geben. Ob es Zen-Buddhisten, die Stoiker, die Transzendentalisten des 19. Jahrhunderts, die Beatniks, die Hippies oder die Umweltbewegungen sind. In all diesen Bewegungen kommt zum Ausdruck, dass Materialismus nicht glücklich macht. Der Kapitalismus will uns das Gegenteil weismachen. “Es gibt Wohlstand für alle” ist die erste Lüge und die zweite Lüge ist “Wohlstand für alle macht uns glücklich”. Menschen, die andere Theorien entwickelt haben, waren mal sehr laut und dann wurden diese Gedanken teilweise über Jahrhunderte nicht weiterverfolgt. Aktuell sind sie wieder sehr laut. Meines Erachtens hängt das damit zusammen, dass wir am Ende eines Zeitalters stehen. So ein bisschen wie am Ende des römischen Reiches. Vieles steht schon in Flammen, wir haben Pandemien, autoritäre Regierungen oder extreme Wetterereignisse. Ich sehe nicht allzu positiv in die Zukunft, aber ich glaube, dass wir genug Resilienz entwickeln können, um mit den Herausforderungen, die sich uns nun stellen, irgendwie umgehen zu können. Es wird uns aber leichter fallen, wenn wir nicht weiter an dieser “Pleasure”-Ideologie hängen und immer weiter an den Materialismus glauben. Wir brauchen nicht immer das neue Paar Sneaker, die nächste Party, den nächsten Städtetrip oder die nächste Partnerin, die noch hübscher ist als die letzte. 

Du sagst, eigentlich ist der Weg, um glücklich zu sein, nicht das zu glauben, was uns gesagt wird, was uns glücklich macht.

Ganz genau, ich glaube, man muss ein bisschen tiefer graben. Meine These dazu klingt sehr banal, aber es ist eine sehr tiefe Wahrheit, die ich für mich gefunden habe, und zwar, dass der Schlüssel zum Glück in uns selbst liegt. Persönlich habe ich das erfahren durch die buddhistische Meditation. Der erste Tag war furchtbar, alles tut weh, Leute atmen, machen Geräusche. Zweiter Tag, es nervt weiter und man fragt sich, wieso man das macht, aber am dritten Tag breitete sich in mir eine Gewissheit wie eine Wärme aus. Ich fühlte mich plötzlich sehr sicher in und mit mir selbst. Ich habe mich verbunden mit dem Universum gefühlt und ich wusste mir kann nichts passieren, mir geht es gut. Völlige Akzeptanz. Im Zen nennt man einen solchen Zustand Satori. Es ist eine gewisse Form der “Erleuchtung”, wobei ich sehr vorsichtig mit solchen Begriffen bin, aber diese Erkenntnis hat mir gezeigt: Ich brauche nichts, um glücklich zu sein. Ich brauche keine coolen Klamotten, ich brauche kein besonderes Essen, ich brauche keinen besonderen Ort, keine Instagram-Ästhetik, sondern ich saß irgendwo in Bayern in einem alten Benediktiner Kloster und dachte “es ist alles so in Ordnung, genauso wie es ist”. Das ist eine Erfahrung, die kann ich beschreiben und die machte was mit mir. Ich kann natürlich immer noch Dinge schätzen. Ich kann mich z. B. immer noch für gutes Essen begeistern, aber die Abwesenheit dieser Dinge kann mich nicht mehr unglücklich machen. Das war eine schöne Erkenntnis und ein weiterer Anlass, dieses Buch zu schreiben, weil ich das anderen auch gönne.

Du hast vorhin gesagt, dass du niemandem vorschreiben willst, Zen-Buddhist zu werden, aber kannst du dir andere Wege vorstellen, diesen Zustand zu erreichen?

Ich glaube jede Form der spirituellen Praxis, die so eine Art Element beinhaltet, welches man als Meditation bezeichnen könnte. Es gibt z. B. eine christliche Art der Kontemplation, die der buddhistischen Meditation sehr nahekommt. Was ich beschrieben habe, ist mit jeder Praxis erlebbar, die dich komplett auf dich zurückwirft. 

Im Prinzip ist buddhistische Mediation ganz einfach – du sitzt dort und konzentrierst dich auf deinen Atem und immer, wenn deine Gedanken von dem Atem abweichen, stellst du diesen Umstand fest und richtest deine Aufmerksamkeit wieder auf den Atem. Die Gedanken ziehen lassen. Einer meiner Lehrer sagte, die Gedanken wie Wolken betrachten.

Diese Praxis führt unter anderem zu Langzeit-Veränderungen an der Amygdala, die für unser Angstempfinden zuständig ist. Dadurch kann man auch erklären, dass Traumata und Angstzustände durch Meditation beherrschbar werden. Ich glaube aber eben nicht, dass es dafür eine spezielle Praxis gibt, die die richtige ist. Man muss die finden, die zu einem passt und zu der man connecten kann.

Persönlich fand ich in den 90ern Buddhismus schon irgendwie cool. Ich war großer Fan der Beastie Boys und MCA war eine Art Vorbild für mich, das beschreibe ich auch im Buch. Er ist zum Buddhismus konvertiert und hat sich für die Freiheit von Tibet eingesetzt. Es gibt einen Song auf dem Album “Ill Comunication” in dem Mönche beim Chanten gesamplet wurden. Es gibt einen ganzen Song über seine Erfahrung, was mich damals schon total inspiriert hatte, auch wenn ich dadurch noch nicht tiefer in die Materie eingestiegen bin. 2012 ist er mit 48 Jahren an Krebs gestorben. Das hat mich berührt und mitgenommen, das war so ein Moment, wo ich selbst in meinem Leben in einer Krise steckte, und dieser Tod hat dazu geführt, dass ich mir die Frage gestellt habe: “Was kann man tun mit der Zeit, die einem bleibt, damit diese nicht verloren ist?”. Ich habe mich daraufhin noch weiter mit seinem Leben beschäftigt, habe erfahren, dass er nach Indien und Japan gereist ist. In einem Buch habe ich gelesen, wie er in einem kleinen Ein-Zimmer-Appartement in New York nur mit einem Bett, einer Couch und seinem Bass wie ein kreativer Mönch gelebt hat. Das hat mich beeindruckt und da habe ich gespürt, das könnte auch mein Weg sein.

Im Endeffekt bist du wieder über deine Verbindung zur Musik tiefer in das Thema eingestiegen. Magst du erzählen, was das für Ereignisse waren, die dich damals dazu gebracht haben?

Im Endeffekt war es nichts allzu Dramatisches. Ich bin recht behütet aufgewachsen mit liebenden Eltern und coolen Werten. Ich war sehr privilegiert, weiße Mittelschicht in einem westlichen Industrieland eben. Abitur gemacht, studiert und dabei von den Eltern finanziert worden, also alles cool. Direkt nach dem Studium habe ich einen Job in der Branche gefunden, die mich interessiert. Ich bin Musik-Journalist geworden und damit erfolgreich gewesen, dann bin ich nach Berlin gezogen und habe mit meiner Freundin in einer schönen Wohnung gelebt. Ich hätte glücklich sein müssen, war es aber nicht. Ich hatte Panikattacken, ich hatte depressive Schübe, ich war oft krank, übergewichtig, habe mich schlecht ernährt, sehr viel getrunken, Marihuana geraucht und war dann irgendwann gesundheitlich in einem desolaten Zustand. Ich habe immer dieses Spiel gespielt von “work hard, play hard” - Heft produzieren, Vollgas geben und anschließend dann Belohnung: Feiern, Exzess, Nächte um die Ohren schlagen und schlecht ernähren. Ich habe mich immer wieder abgelenkt von den Themen, die in meinem Kopf waren. Ständig essen gehen, teure Klamotten, Urlaube, für einen Tag irgendwo hinfliegen, einen Künstler treffen und wieder zurückfliegen. Das war ein Lebensstil, den ich lange glorifiziert habe, um dann irgendwann zu merken, dass er mich zerstört.

In dieser Verfassung war ich, als MCA gestorben ist. Da habe ich angefangen, Eckhart Tolle zu lesen. Das ist 10 Jahre her und die Essenz dieser 10 Jahre steckt jetzt in diesem Buch.

Ist es damit ein Ratgeber, den du auch selbst noch zu Rate ziehst?

(Lacht) Wenn ich in der Position von vor 10 Jahren wäre, würde ich gerne dieses Buch lesen, weil es mir eine Richtung geben würde, die mir sagt “wo kann ich nachforschen?”. 

Auch jetzt wo ich das Buch abgegeben habe, es kurz vor der Veröffentlichung steht und ich nichts mehr ändern kann, bin ich es nochmal durchgegangen und habe festgestellt: Es gibt Punkte, wo ich auch wieder ein Stück von meinem Weg abgekommen bin und mich wieder besinnen könnte.

Abschließend: Wem würdest du das Buch empfehlen?

Ich glaube jede:r der oder die sich fragt “Ist das alles?”, wenn etwas fehlt, aber man weiß nicht was. Vielleicht richtet es sich mehr an Kreative oder Menschen aus der Musikwelt, aber im Prinzip kann jeder Mensch, der sich z. B. für Meditation interessiert, etwas darin finden. Es soll ein niedrigschwelliges Angebot sein für alle, die sich vielleicht auch hinter einem gewissen Zynismus gegenüber diesen Themen verstecken, weil es mir auch lange so ging.

Stephan, ich bedanke mich für das tolle Gespräch und wünsche dir viel Erfolg mit dem Buch.

Das Buch findet ihr hier bei Amazon
Stephans Blog findet ihr unter: https://www.stephankunze.org/

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Bewusst, minimalistisch und selbstbestimmt Leben

Hallo Stephan, wir kennen uns schon ein wenig. Für die Leser:innen würde ich aber gerne vorweg ein paar Informationen zusammenfassen, um die Hintergründe des Gesprächs besser einordnen zu können. Korrigiere mich, falls ich falschliege. Du bist studierter Jurist, hast lange als freier Autor gearbeitet, aber auch als festangestellter Autor und Journalist. Du hattest ein Musiklabel und bist immer noch fest in der Musikwirtschaft verankert. Jetzt veröffentlichst du dein erstes Buch mit dem Claim “Bewusst, minimalistisch und selbstbestimmt Leben”. Das klingt im allerersten Moment ein wenig nach Lebensratgeber. Kannst du zusammenfassen, um was für ein Buch es sich handelt?

Ja, gerne. Der Untertitel stammt aber tatsächlich nicht von mir, sondern vom Verlag und ist mir ein wenig “untergeschoben” worden. Ein bisschen als Verkaufsargument. Was soll man sich unter dem Titel “Zen Style” alleine auch vorstellen? Man muss ja auch die Aufmerksamkeit der Menschen erreichen und das in Zeiten, in denen die Aufmerksamkeit vieler auf wenige Sekunden lange TikTok-Videos gerichtet ist und da vertraue ich meinem Verlag. Die wissen, wie man ein Buch vermarktet und die meinten, es wäre gut, einen Untertitel zu haben, der ein wenig mehr über das Buch sagt. Mit dem Claim "Bewusst, minimalistisch und selbstbestimmt Leben” konnte ich mich dann gut anfreunden. 

Um auf deine Frage zu antworten: Ich würde schon sagen, dass es ein Ratgeber ist. Unter Leuten, die sich als ernsthafte Schriftsteller verstehen, kann das durchaus als abwertender Begriff verwendet werden, aber ich finde das gar nicht schlimm. Ich finde Ratgeber völlig in Ordnung. Auch Seneca hat letztendlich Lebensratgeber geschrieben, auch andere große Philosophen der Geschichte haben am Ende des Tages eigentlich nur aufgeschrieben, was sie glauben, was ein gutes Leben ausmacht. Und das Gleiche habe ich auch versucht zu tun. 

Ich habe mehrere Jahre Recherche betrieben, weil ich an einem Punkt war, wo ich nicht wusste, was mich glücklich macht oder ob/wie dieses Projekt “Leben” gelingen kann. Die Recherche, die ich betrieben habe, ging über alle möglichen Disziplinen hinweg, angefangen bei Philosophie über Soziologie bis hin zu Literatur und Kunst. Die Ergebnisse dieser Recherche findest du in “Zen-Style”. Also Ratgeber ist vermutlich schon die richtige Kategorisierung. Er vereint auch viele Grundlagen und Theorien, die gar nicht von mir sind. Ich “sample” eigentlich, wie im Hip-Hop. Ich “sample” Philosophen, buddhistische Lehrer:innen oder Psycholog:innen und diese Stimmen sample ich zu einem neuen “Track” und das ergibt dann meine kuratierte Lehre oder Lebensweisheit, wenn du so willst.

Wenn ich das richtig verstehe, hast du damit also deinen Lebensweg collagiert und versuchst aus deiner Praxis und Erfahrung heraus diesen erlebbar für andere zu machen, sehe ich das richtig?

Kann man genau so sagen, ja. Vor allem versuche ich eine Alternative zu dem Lifestyle aufzuzeigen, den ich aktuell bei vielen Menschen beobachte. Bei Freund:innen oder Menschen in der Industrie, in der ich arbeite. Sehr getrieben, ständig online, ständig digital konsumierend. Dieser Zen Style ist also etwas wie ein analoger Gegenentwurf dazu. Ein Aufruf, mal das Handy auszumachen, mit den Händen in der Erde zu wühlen, die Umwelt achtsamer zu betrachten und nicht von einem Termin zum nächsten zu hetzen. Das möchte ich nicht mit dem erhobenen Zeigefinger erzählen, sondern das erzähle ich vor allem auch mir selbst, da ich sehr anfällig bin für diesen Lifestyle und diesen auch über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte genauso gelebt habe. 

Das ist auch schon ein wenig die Antwort auf meine nächste Frage: Wie kamst du denn auf die Idee, deine Erfahrungen in ein Buch zu gießen?

Ich bin seit 20 Jahren Journalist und Autor, dadurch lag es irgendwie nahe, ein Buch zu schreiben. Ich hatte nur nie die richtige Idee. Ich bin auch eher Journalist als Schriftsteller. Mit fiktiven Inhalten bin ich nicht besonders gut, deswegen wollte ich, wenn überhaupt, ein Sachbuch schreiben.

Ich habe im Oktober 2018 einen Wanderurlaub im Harz gemacht und war sehr disconnected von allem. Da habe ich den Entschluss gefasst, alle meine Social-Media-Kanäle zu löschen. Dieser Entschluss ist lange gereift und in diesem Urlaub habe ich mich dann jeden Abend drangesetzt. Da merkt man plötzlich: Das ist gar nicht so einfach, weil ganz viele Accounts miteinander verknüpft sind, aber es hat mich extrem befreit.

Allerdings bin ich kein Einsiedler, ich stehe gerne mit Menschen in Kontakt und musste feststellen, dass ich keine Möglichkeit der Kommunikation mehr hatte. Meine Lösung war dann, einen persönlichen Blog zu schreiben. Den habe ich meinen Freunden geschickt und diese auch gebeten, mir Feedback zu geben.

Angefangen hatte ich mit einer Chronik über meinen Social-Media-Ausstieg, danach bin ich immer tiefer in verschiedene Themen gekommen: Minimalismus, Achtsamkeit, Zen-Buddhismus, Meditation. Das war dann eine recht natürliche Entwicklung. Ich habe immer mehr recherchiert und auch geschrieben. Immer häufiger habe ich irre gutes Feedback bekommen, irgendwann habe ich in die Statistiken geschaut und gesehen, dass schon 100.000 Leute meinen Blog aufgerufen haben – da war ich hin und weg. Es kam dann auch immer häufiger der Hinweis: “Mach doch mal ein Buch da draus.”

Also hat dich im Endeffekt dein Social-Media-Ausstieg dazu bewegt, ein Buch zu schreiben.

Das war zumindest der Anfang. Ich hatte Jaron Lanier gelesen, “10 Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst”, und das hat mir so den letzten Anstoß gegeben. Ich war natürlich vorher schon ein Gegner von diesem “Social-Media-Game” und dem “Grind” - gerade in der Musikwelt. 

Lanier hat mir nochmal aufgezeigt, dass es nicht nur mein individuelles Gefühl ist, von ständigen Notifications überstimuliert zu sein, sondern dass es auch darüber hinaus für die Gesellschaft negative Konsequenzen hat. Der Aufstieg der autoritären Rechten  in vielen Staaten korreliert direkt mit Social Media. Man kann auch mit Fug und Recht behaupten, dass bestimmte Genozide in Süd-Ost Asien sehr direkt mit Social Media zu tun haben oder in Indien bestimmte Hetz-Videos über WhatsApp verbreitet wurden und sich Menschen dann einem Lynchmob gegenüberstehen sahen. Diese Erzählung über Social Media, die es Anfang der 2010er gab, dass es die Welt vernetzt und sich Menschen näherkommen, hat Kratzer bekommen. Und heute ist das auch fast allen Leuten klar, weil sie z. B. bei The Social Dilemma auf Netflix gesehen haben, dass es auch eine total negative Seite gibt. 

Das war vor drei, vier Jahren noch ein wenig anders. Da haben die meisten nur Positives darin gesehen und in meinem Umfeld gab es auch einen gewissen “Zwang”, diese Tools zu benutzen im Sinne von “naja, ohne geht es nicht”. Da habe ich mich unfrei gefühlt und meine Reaktion darauf war “ich glaube es geht auch ohne”. Das zu beweisen war da auch ein Stück weit der Antrieb zum Schreiben des Buches.

Wie viel Platz nimmt das Thema in deinem Buch ein?

Das Buch hat 30 Kapitel, genauso viel wie J Dillas “Donuts”, weil ich das Gefühl hatte, die Kapitel sind kurze, in sich geschlossene Geschichten, die zusammen etwas Größeres ergeben. Donuts war für mich ein Album, welches genau das war. Kurze Loops, die zusammen eine größere Summe waren.

Drei oder vier Kapitel haben mit Social Media zu tun. Es spielt also keine unwichtige Rolle, aber es ist kein zentraler Baustein. Dagegen spielt es im Leben von vielen von uns eine sehr große Rolle. Da ist es fast schon ein radikaler Gedanke, Social Media beiseitezulassen und ich bin leider auch nicht 100 % konsequent. Ich habe einen beruflichen Account, um in bestimmten Themen nicht komplett abgeschnitten zu sein. Es ist also kein Aufruf, alles sofort zu löschen, sondern eher ein Anstoß dazu, den Konsum zu überdenken und dem vielleicht keine ganz so große Rolle im eigenen Leben einzuräumen.

Um das Thema ein wenig zu wechseln: Du sagtest, du hast viele Autoren “gesampelt”. Würdest du da neben J Dilla noch jemanden erwähnen wollen?

(Lacht) J Dilla war wirklich nur für die Struktur ausschlaggebend. Aber ja klar, ohne Ende. Ich erwähne natürlich auch alle in dem Buch und “credite” meine Samplequellen. Ich erwähne Menschen und z. B. buddhistische Lehrer:innen wie Jack Kornfield und Pema Chödrön. Eckhart Tolle ist ein spiritueller Lehrer, der mich sehr inspiriert hat, gerade zu Beginn meiner Reise in die Spiritualität. Vor allem, weil ich nie ein sehr spiritueller Mensch war. Ich war immer Atheist aus einem 68er-Haushalt, wo Religion keine Rolle gespielt hat. Spiritualität hatte für mich immer etwas “Anrüchiges”. Als Intellektueller aus dem Westen war das etwas, wo es Berührungsängste gab. Lebenskrisen haben dazu geführt, dass ich das in Frage gestellt habe. Seit tausenden von Jahren gibt es Menschen auf der Erde und darunter waren sehr schlaue, die sich auch schon mit den gleichen Fragen beschäftigt haben, die ich mir gestellt habe. 

Diese Menschen sind natürlich für mich in erster Linie Philosoph:innen, Schriftsteller:innen, aber vor allem buddhistische Lehrer:innen. Wobei ich nicht sagen würde, ich bin Buddhist. Ich habe mich sehr lange mit Meditation und Achtsamkeit beschäftigt und tue es noch. Ich praktiziere täglich eine Form der Meditation, die aus dem Zen-Buddhismus kommt und habe viele Retreats mitgemacht. Ich war bei verschiedenen Lehrer:innen in Mediationskursen. Das Buch ist allerdings kein Buch über den Zen-Buddhismus und auch kein Aufruf, dass jetzt alle Zen-Buddhist:innen werden sollen. Es ist eher der Aufruf, sich mit spirituellen Themen zu beschäftigen, weil ich glaube, dass es essentiell ist, um ein glückliches Leben zu führen. Wenn du z. B. glaubst, dass die christliche Kontemplation der Weg ist, den du spirituell gehen willst oder wenn du denkst Hatha Yoga oder die Derwisch-Tänze der muslimischen Sufi-Mystiker sind es, dann finde ich das genauso interessant und wichtig. Nur für mich persönlich war es der Zen Buddhismus, der mich reingezogen hat. Mir hat es gezeigt da gibt es Dinge abseits von Geld, Status, Macht und “Pleasure”. 

Also abseits der Genugtuung von Materialismus im Endeffekt?

Genau, ich habe das Gefühl, dass gerade wir im Westen in unserer Zeit nur für “Instant-Gratification” leben. Wir wollen von einem guten Gefühl ins nächste, wir glauben, dass eine Verkettung von guten Momenten ein gutes Leben ergibt. Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass das eine total irre Annahme ist, weil Glück auch aus Höhen und Tiefen besteht. Wenn du die ganze Zeit ganz oben bist, spürst du keine Ausschläge. Du musst die Tiefen spüren, um die Höhen empfinden zu können. Es gibt einen norwegischen Philosophen, den ich viel in meinem Buch zitiere, Arne Næss, der hat eine Glücksformel entwickelt, die sinngemäß lautet: Je mehr Anstrengung du investierst, desto glücklicher bist du, wenn du es bekommst. 

Ganz praktisch habe ich das bei Meditations-Retreats gespürt, die sehr anstrengend sein können oder als ich mit meiner Frau beschlossen habe, einmal zu Fuß über die Alpen zu gehen. Wir wandern beide gern und die Alpen sind uns am nächsten. Wir waren mehrfach davor aufzugeben. Du schläfst in Hütten mit Stockbetten, du hast keinen Handyempfang, du schwitzt, du frierst, du hast Hunger, es ist sau anstrengend. Warum macht man das? Nur weil man sich dazu entschlossen hat und wenn man es geschafft hat, ist es ein unglaublich befreiendes Gefühl, das dir ganz viel gibt. Aber es ist nicht “Pleasure”, es ist nicht einfach ein guter Moment, es ist nicht das Paradies, wo du am Pool liegst und dir die gebratenen Tauben in den Mund fliegen.

Wie viel dieser Erfahrungen steckt davon in deinem Buch? Ich durfte ja bereits die ersten zwei Kapitel lesen und da geht es z. B. um ein Retreat.

Ich erzähle auf jeden Fall von den Dingen, die ich erlebt habe, auch von dieser Alpenwanderung erzähle ich viel. Auch von anderen Erlebnissen, die mir auf praktische Weise gezeigt haben, dass die theoretischen Grundlagen, die ich mir erarbeitet habe, auch wirklich stimmen. In 2000 Jahren Kulturgeschichte und Philosophie scheint es einen gemeinsamen Nenner zu geben. Ob es Zen-Buddhisten, die Stoiker, die Transzendentalisten des 19. Jahrhunderts, die Beatniks, die Hippies oder die Umweltbewegungen sind. In all diesen Bewegungen kommt zum Ausdruck, dass Materialismus nicht glücklich macht. Der Kapitalismus will uns das Gegenteil weismachen. “Es gibt Wohlstand für alle” ist die erste Lüge und die zweite Lüge ist “Wohlstand für alle macht uns glücklich”. Menschen, die andere Theorien entwickelt haben, waren mal sehr laut und dann wurden diese Gedanken teilweise über Jahrhunderte nicht weiterverfolgt. Aktuell sind sie wieder sehr laut. Meines Erachtens hängt das damit zusammen, dass wir am Ende eines Zeitalters stehen. So ein bisschen wie am Ende des römischen Reiches. Vieles steht schon in Flammen, wir haben Pandemien, autoritäre Regierungen oder extreme Wetterereignisse. Ich sehe nicht allzu positiv in die Zukunft, aber ich glaube, dass wir genug Resilienz entwickeln können, um mit den Herausforderungen, die sich uns nun stellen, irgendwie umgehen zu können. Es wird uns aber leichter fallen, wenn wir nicht weiter an dieser “Pleasure”-Ideologie hängen und immer weiter an den Materialismus glauben. Wir brauchen nicht immer das neue Paar Sneaker, die nächste Party, den nächsten Städtetrip oder die nächste Partnerin, die noch hübscher ist als die letzte. 

Du sagst, eigentlich ist der Weg, um glücklich zu sein, nicht das zu glauben, was uns gesagt wird, was uns glücklich macht.

Ganz genau, ich glaube, man muss ein bisschen tiefer graben. Meine These dazu klingt sehr banal, aber es ist eine sehr tiefe Wahrheit, die ich für mich gefunden habe, und zwar, dass der Schlüssel zum Glück in uns selbst liegt. Persönlich habe ich das erfahren durch die buddhistische Meditation. Der erste Tag war furchtbar, alles tut weh, Leute atmen, machen Geräusche. Zweiter Tag, es nervt weiter und man fragt sich, wieso man das macht, aber am dritten Tag breitete sich in mir eine Gewissheit wie eine Wärme aus. Ich fühlte mich plötzlich sehr sicher in und mit mir selbst. Ich habe mich verbunden mit dem Universum gefühlt und ich wusste mir kann nichts passieren, mir geht es gut. Völlige Akzeptanz. Im Zen nennt man einen solchen Zustand Satori. Es ist eine gewisse Form der “Erleuchtung”, wobei ich sehr vorsichtig mit solchen Begriffen bin, aber diese Erkenntnis hat mir gezeigt: Ich brauche nichts, um glücklich zu sein. Ich brauche keine coolen Klamotten, ich brauche kein besonderes Essen, ich brauche keinen besonderen Ort, keine Instagram-Ästhetik, sondern ich saß irgendwo in Bayern in einem alten Benediktiner Kloster und dachte “es ist alles so in Ordnung, genauso wie es ist”. Das ist eine Erfahrung, die kann ich beschreiben und die machte was mit mir. Ich kann natürlich immer noch Dinge schätzen. Ich kann mich z. B. immer noch für gutes Essen begeistern, aber die Abwesenheit dieser Dinge kann mich nicht mehr unglücklich machen. Das war eine schöne Erkenntnis und ein weiterer Anlass, dieses Buch zu schreiben, weil ich das anderen auch gönne.

Du hast vorhin gesagt, dass du niemandem vorschreiben willst, Zen-Buddhist zu werden, aber kannst du dir andere Wege vorstellen, diesen Zustand zu erreichen?

Ich glaube jede Form der spirituellen Praxis, die so eine Art Element beinhaltet, welches man als Meditation bezeichnen könnte. Es gibt z. B. eine christliche Art der Kontemplation, die der buddhistischen Meditation sehr nahekommt. Was ich beschrieben habe, ist mit jeder Praxis erlebbar, die dich komplett auf dich zurückwirft. 

Im Prinzip ist buddhistische Mediation ganz einfach – du sitzt dort und konzentrierst dich auf deinen Atem und immer, wenn deine Gedanken von dem Atem abweichen, stellst du diesen Umstand fest und richtest deine Aufmerksamkeit wieder auf den Atem. Die Gedanken ziehen lassen. Einer meiner Lehrer sagte, die Gedanken wie Wolken betrachten.

Diese Praxis führt unter anderem zu Langzeit-Veränderungen an der Amygdala, die für unser Angstempfinden zuständig ist. Dadurch kann man auch erklären, dass Traumata und Angstzustände durch Meditation beherrschbar werden. Ich glaube aber eben nicht, dass es dafür eine spezielle Praxis gibt, die die richtige ist. Man muss die finden, die zu einem passt und zu der man connecten kann.

Persönlich fand ich in den 90ern Buddhismus schon irgendwie cool. Ich war großer Fan der Beastie Boys und MCA war eine Art Vorbild für mich, das beschreibe ich auch im Buch. Er ist zum Buddhismus konvertiert und hat sich für die Freiheit von Tibet eingesetzt. Es gibt einen Song auf dem Album “Ill Comunication” in dem Mönche beim Chanten gesamplet wurden. Es gibt einen ganzen Song über seine Erfahrung, was mich damals schon total inspiriert hatte, auch wenn ich dadurch noch nicht tiefer in die Materie eingestiegen bin. 2012 ist er mit 48 Jahren an Krebs gestorben. Das hat mich berührt und mitgenommen, das war so ein Moment, wo ich selbst in meinem Leben in einer Krise steckte, und dieser Tod hat dazu geführt, dass ich mir die Frage gestellt habe: “Was kann man tun mit der Zeit, die einem bleibt, damit diese nicht verloren ist?”. Ich habe mich daraufhin noch weiter mit seinem Leben beschäftigt, habe erfahren, dass er nach Indien und Japan gereist ist. In einem Buch habe ich gelesen, wie er in einem kleinen Ein-Zimmer-Appartement in New York nur mit einem Bett, einer Couch und seinem Bass wie ein kreativer Mönch gelebt hat. Das hat mich beeindruckt und da habe ich gespürt, das könnte auch mein Weg sein.

Im Endeffekt bist du wieder über deine Verbindung zur Musik tiefer in das Thema eingestiegen. Magst du erzählen, was das für Ereignisse waren, die dich damals dazu gebracht haben?

Im Endeffekt war es nichts allzu Dramatisches. Ich bin recht behütet aufgewachsen mit liebenden Eltern und coolen Werten. Ich war sehr privilegiert, weiße Mittelschicht in einem westlichen Industrieland eben. Abitur gemacht, studiert und dabei von den Eltern finanziert worden, also alles cool. Direkt nach dem Studium habe ich einen Job in der Branche gefunden, die mich interessiert. Ich bin Musik-Journalist geworden und damit erfolgreich gewesen, dann bin ich nach Berlin gezogen und habe mit meiner Freundin in einer schönen Wohnung gelebt. Ich hätte glücklich sein müssen, war es aber nicht. Ich hatte Panikattacken, ich hatte depressive Schübe, ich war oft krank, übergewichtig, habe mich schlecht ernährt, sehr viel getrunken, Marihuana geraucht und war dann irgendwann gesundheitlich in einem desolaten Zustand. Ich habe immer dieses Spiel gespielt von “work hard, play hard” - Heft produzieren, Vollgas geben und anschließend dann Belohnung: Feiern, Exzess, Nächte um die Ohren schlagen und schlecht ernähren. Ich habe mich immer wieder abgelenkt von den Themen, die in meinem Kopf waren. Ständig essen gehen, teure Klamotten, Urlaube, für einen Tag irgendwo hinfliegen, einen Künstler treffen und wieder zurückfliegen. Das war ein Lebensstil, den ich lange glorifiziert habe, um dann irgendwann zu merken, dass er mich zerstört.

In dieser Verfassung war ich, als MCA gestorben ist. Da habe ich angefangen, Eckhart Tolle zu lesen. Das ist 10 Jahre her und die Essenz dieser 10 Jahre steckt jetzt in diesem Buch.

Ist es damit ein Ratgeber, den du auch selbst noch zu Rate ziehst?

(Lacht) Wenn ich in der Position von vor 10 Jahren wäre, würde ich gerne dieses Buch lesen, weil es mir eine Richtung geben würde, die mir sagt “wo kann ich nachforschen?”. 

Auch jetzt wo ich das Buch abgegeben habe, es kurz vor der Veröffentlichung steht und ich nichts mehr ändern kann, bin ich es nochmal durchgegangen und habe festgestellt: Es gibt Punkte, wo ich auch wieder ein Stück von meinem Weg abgekommen bin und mich wieder besinnen könnte.

Abschließend: Wem würdest du das Buch empfehlen?

Ich glaube jede:r der oder die sich fragt “Ist das alles?”, wenn etwas fehlt, aber man weiß nicht was. Vielleicht richtet es sich mehr an Kreative oder Menschen aus der Musikwelt, aber im Prinzip kann jeder Mensch, der sich z. B. für Meditation interessiert, etwas darin finden. Es soll ein niedrigschwelliges Angebot sein für alle, die sich vielleicht auch hinter einem gewissen Zynismus gegenüber diesen Themen verstecken, weil es mir auch lange so ging.

Stephan, ich bedanke mich für das tolle Gespräch und wünsche dir viel Erfolg mit dem Buch.

Das Buch findet ihr hier bei Amazon
Stephans Blog findet ihr unter: https://www.stephankunze.org/

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