Drei Türen, drei Untersuchungen - Ausstellung “Three Doors” gegen das Vergessen

Fotos:
Monique Burandt, Sonali Ahuja
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Beziehungen sind alles. Genauso wichtig ist die Beziehung zwischen Staat und Bürger:in. Was passiert aber, wenn diese Beziehung Schäden aufweist? Der Anschlag in Hanau und der Fall Oury Jalloh sind nur zwei von vielen rassistisch motivierten Vorfällen in Deutschland, die das Vertrauen in den Staatsapparat erschüttern. Die Ausstellung „Three Doors - Forensic Architecture/Forensis, Initiative 19. Februar Hanau, Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ des Frankfurter Kunstvereins widmet sich dieser Beziehung zwischen Staat und Bürger:in und demonstriert anhand verschiedener Medien die Ergebnisse aufwändiger Untersuchungen zu den genannten rassistischen Vorfällen. Die Ausstellung entstammt dem Zusammenschluss aus Forensic Architecture/Forensis Berlin, der Initiative 19. Februar Hanau, der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh, Journalist:innen und der Kulturinstitution Frankfurter Kunstverein.

Three Doors, drei Türen, drei Untersuchungen. Die ersten zwei Türen bestimmen die Analyse des Tathergangs in Hanau: der verschlossene Notausgang der Arena Bar in Hanau-Kesselstadt und die Eingangstür des Hauses des Täters. Mit der dritten Tür wird der Fall Oury Jalloh untersucht, der 2005 als junger Asylsuchender aus Sierra Leone in einer angeblich geschlossenen Polizeizelle in Dessau verbrannte. Mit jeder Tür wird der strukturelle Rassismus in deutschen Behörden und eine Gesellschaft offenbart, die sich mit Fragen der Teilhabe, der Dazugehörigkeit und auch Identität trotz Veränderungsprozessen weiterhin auseinandersetzen muss. 

Hinter den Analysen und Untersuchungen steckt Forensic Architecture. Forensic Architecture ist eine Recherche-Agentur, die mit Hilfe von Methoden und Technologien die Spuren staatlicher Gewalt an Architektur und Landschaft analysiert. Die künstlerische Arbeit des Kollektivs untersucht die übergeordnete Politik und sammelt objektive Tatsachen über Missstände von Staaten und Unternehmen gegen Zivilist:innen und die Umwelt. Am Ende der Ausstellung erfährt man mehr über ihre Arbeit, die sehr international erfolgt, wie beispielsweise bezüglich der Pushbacks Geflüchteter an der griechischen Grenze oder der Gewalt an der Umwelt in den USA. 

Wenn man durch die Ausstellung läuft, wirken die Datensammlungen, Grafiken und Diagramme im künstlerisch-kreativen Raum ungewohnt. Die Ausstellung schafft es aber mit Hilfe verschiedener Medien, das gesammelte Wissen für die Besucher:innen kompakt und verständlich zu erklären. 

Mit Hilfe der Überwachungskamera in der Arena-Bar und der Helikopterkamera wird der Tathergang in Hanau nachgestellt. Forensic Architecture hat sehr präzise gearbeitet, jeder Schritt wird detailliert erläutert. Diese wissenschaftliche Herangehensweise zeigt nüchtern und deutlich die Widersprüche in den Aussagen und Berichten der Polizei. Und auch wenn es sogar menschlich erscheint, dass eine Polizeistreife ihre Position aufgegeben hat, um ihren Kolleg:innen zu helfen, die von Hells Angels-Anhänger:innen bedroht wurden, entschuldigt dies nicht das weitere Versagen der Polizei. Das Haus des Täters blieb für eine lange Zeit unbewacht, der Täter hätte problemlos fliehen können. Besonders erschreckend waren die Stimmen der Piloten im Hubschrauber, die ohne Ziel über ganz Hanau geflogen sind, obgleich die Anschrift des Täters der Polizei bereits bekannt war. Ein trauriges Zeugnis mangelnder Kommunikation mit verheerenden Folgen. 

Im zweiten Stock des Kunstvereins Frankfurts wird der Fall Oury Jalloh, der 2005 in seiner Polizeizelle verbrannte, näher dargestellt. In der Vergangenheit versuchten Gerichte den Fall aufzuklären. Doch nur der Dienstgruppenleiter wurde 2012 wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt. Bezüglich weiterer Ermittlungen wegen Mordes oder Mordversuchs gibt es keine offenen Ansätze. Als Besucher:in läuft man durch die Nachkonstruktion der Polizeizelle, in der Oury Jalloh verbrannt ist. Der Raum ist klein. Dank Beschriftungen und Bildern kann man sich die Polizeistation mit Flur und Zellen vorstellen. Forensic Architecture hat hier die Rauchspuren an der Zellentür analysiert, die über die Zellentür von Oury Jalloh hinausgehen - die Tür war nicht verschlossen. Mit dieser Information sowie den weiteren Gutachten ist es sehr wahrscheinlich, dass er während seines Gewahrsams auf der Polizeiwache getötet wurde.

Die Initiativen, die an der Ausstellung mitgewirkt haben, sind die Initiative 19. Februar Hanau und die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh

Die Initiative 19. Februar Hanau folgt dem Versprechen, dass die Namen der Opfer bei dem rassistisch motivierten Anschlag in Hanau nicht vergessen werden. Sie wollen der Solidarität und den Forderungen nach Aufklärung und politischen Konsequenzen einen dauerhaften Raum geben. 2021 werden Forensic Architecture und Forensis von der Initiative und Anwält:innen der Familien der Opfer beauftragt, den Anschlag näher zu untersuchen. In der Ausstellung zeigen Videos die Aussagen der Angehörigen und Überlebenden vor dem Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags. Mit diesen sehr persönlichen Videos werden die Geschichten hinter den Opfern ins Licht gerückt: Wie die Mutter von Sedat Gürbüz erzählt, dass Sedat zwei Tage vor dem Anschlag einkaufen war und diese Klamotten und Schuhe nie tragen konnte.

Seit 2005 kämpft die Familie von Oury Jalloh unermüdlich um die Aufklärung seines Todes. Innerhalb der Kampagne „Break the Silence“ werden Protestaktionen gegen Polizeigewalt organisiert sowie Gutachten und Versuche zum Fall Oury Jalloh veröffentlicht. Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh berichtet über die selbstorganisierte Aufklärung der letzten Jahre in einem Film, der in der Ausstellung zu sehen ist. 

Foto Credit: Monique Burandt

Man könnte provokant fragen, warum der Kunstverein Frankfurt als künstlerische Kulturinstitution eine solche Ausstellung kuratiert hat und ob die Untersuchungen von Forensic Architecture unter den Begriff der Kunst fallen. Der Kunstverein Frankfurt beschreibt die Ausstellung als grenzüberschreitende Kunst zum Aktivismus und zur Wissenschaft. Für Forensic Architecture bilden die Werke, die Filme, die Bilder und Installationen einen Teil ihres künstlerischen Selbstverständnisses. Diese Medien entfalten ihre eigene Ästhetik. Durch die Videos, Nachkonstruktionen, Zeug:innen- und Hinterbliebenenaussagen werden Besucher:innen in die Analysen mit eingebunden. Schlussfolgerungen werden gezogen und übrig bleiben die Details, die nüchtern und gleichzeitig erschreckend die verheerenden Folgen von Rassismus für die Gesellschaft als Ganzes zeigen. Umso wichtiger ist es, sich über diese Details zu informieren - ein Besuch der Ausstellung ist sehr zu empfehlen.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 11.09.2022. 

Unser Tipp: Am Wochenende vom 26.08.-28.08.2022 findet in Frankfurt das Museumsuferfest statt. Mit dem Button für das Fest (7€) kann man den Kunstverein Frankfurt sowie weitere Museen in Frankfurt kostenlos besuchen. Es werden am Wochenende Überblicksführungen durch die Ausstellung, Samstag und Sonntag jeweils um 12 Uhr und 17 Uhr, angeboten.

In dem Artikel beziehe ich mich auf folgende Quellen:

http://19feb-hanau.org/kontakt/   

https://de.wikipedia.org/wiki/Oury_Jalloh

http://www.fkv.de/ausstellung/three-doors-forensic-architecture-initiative-19-februar-hanau-initiative-in-gedenken-an-oury-jalloh/

https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/

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Beziehungen sind alles. Genauso wichtig ist die Beziehung zwischen Staat und Bürger:in. Was passiert aber, wenn diese Beziehung Schäden aufweist? Der Anschlag in Hanau und der Fall Oury Jalloh sind nur zwei von vielen rassistisch motivierten Vorfällen in Deutschland, die das Vertrauen in den Staatsapparat erschüttern. Die Ausstellung „Three Doors - Forensic Architecture/Forensis, Initiative 19. Februar Hanau, Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ des Frankfurter Kunstvereins widmet sich dieser Beziehung zwischen Staat und Bürger:in und demonstriert anhand verschiedener Medien die Ergebnisse aufwändiger Untersuchungen zu den genannten rassistischen Vorfällen. Die Ausstellung entstammt dem Zusammenschluss aus Forensic Architecture/Forensis Berlin, der Initiative 19. Februar Hanau, der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh, Journalist:innen und der Kulturinstitution Frankfurter Kunstverein.

Three Doors, drei Türen, drei Untersuchungen. Die ersten zwei Türen bestimmen die Analyse des Tathergangs in Hanau: der verschlossene Notausgang der Arena Bar in Hanau-Kesselstadt und die Eingangstür des Hauses des Täters. Mit der dritten Tür wird der Fall Oury Jalloh untersucht, der 2005 als junger Asylsuchender aus Sierra Leone in einer angeblich geschlossenen Polizeizelle in Dessau verbrannte. Mit jeder Tür wird der strukturelle Rassismus in deutschen Behörden und eine Gesellschaft offenbart, die sich mit Fragen der Teilhabe, der Dazugehörigkeit und auch Identität trotz Veränderungsprozessen weiterhin auseinandersetzen muss. 

Hinter den Analysen und Untersuchungen steckt Forensic Architecture. Forensic Architecture ist eine Recherche-Agentur, die mit Hilfe von Methoden und Technologien die Spuren staatlicher Gewalt an Architektur und Landschaft analysiert. Die künstlerische Arbeit des Kollektivs untersucht die übergeordnete Politik und sammelt objektive Tatsachen über Missstände von Staaten und Unternehmen gegen Zivilist:innen und die Umwelt. Am Ende der Ausstellung erfährt man mehr über ihre Arbeit, die sehr international erfolgt, wie beispielsweise bezüglich der Pushbacks Geflüchteter an der griechischen Grenze oder der Gewalt an der Umwelt in den USA. 

Wenn man durch die Ausstellung läuft, wirken die Datensammlungen, Grafiken und Diagramme im künstlerisch-kreativen Raum ungewohnt. Die Ausstellung schafft es aber mit Hilfe verschiedener Medien, das gesammelte Wissen für die Besucher:innen kompakt und verständlich zu erklären. 

Mit Hilfe der Überwachungskamera in der Arena-Bar und der Helikopterkamera wird der Tathergang in Hanau nachgestellt. Forensic Architecture hat sehr präzise gearbeitet, jeder Schritt wird detailliert erläutert. Diese wissenschaftliche Herangehensweise zeigt nüchtern und deutlich die Widersprüche in den Aussagen und Berichten der Polizei. Und auch wenn es sogar menschlich erscheint, dass eine Polizeistreife ihre Position aufgegeben hat, um ihren Kolleg:innen zu helfen, die von Hells Angels-Anhänger:innen bedroht wurden, entschuldigt dies nicht das weitere Versagen der Polizei. Das Haus des Täters blieb für eine lange Zeit unbewacht, der Täter hätte problemlos fliehen können. Besonders erschreckend waren die Stimmen der Piloten im Hubschrauber, die ohne Ziel über ganz Hanau geflogen sind, obgleich die Anschrift des Täters der Polizei bereits bekannt war. Ein trauriges Zeugnis mangelnder Kommunikation mit verheerenden Folgen. 

Im zweiten Stock des Kunstvereins Frankfurts wird der Fall Oury Jalloh, der 2005 in seiner Polizeizelle verbrannte, näher dargestellt. In der Vergangenheit versuchten Gerichte den Fall aufzuklären. Doch nur der Dienstgruppenleiter wurde 2012 wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt. Bezüglich weiterer Ermittlungen wegen Mordes oder Mordversuchs gibt es keine offenen Ansätze. Als Besucher:in läuft man durch die Nachkonstruktion der Polizeizelle, in der Oury Jalloh verbrannt ist. Der Raum ist klein. Dank Beschriftungen und Bildern kann man sich die Polizeistation mit Flur und Zellen vorstellen. Forensic Architecture hat hier die Rauchspuren an der Zellentür analysiert, die über die Zellentür von Oury Jalloh hinausgehen - die Tür war nicht verschlossen. Mit dieser Information sowie den weiteren Gutachten ist es sehr wahrscheinlich, dass er während seines Gewahrsams auf der Polizeiwache getötet wurde.

Die Initiativen, die an der Ausstellung mitgewirkt haben, sind die Initiative 19. Februar Hanau und die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh

Die Initiative 19. Februar Hanau folgt dem Versprechen, dass die Namen der Opfer bei dem rassistisch motivierten Anschlag in Hanau nicht vergessen werden. Sie wollen der Solidarität und den Forderungen nach Aufklärung und politischen Konsequenzen einen dauerhaften Raum geben. 2021 werden Forensic Architecture und Forensis von der Initiative und Anwält:innen der Familien der Opfer beauftragt, den Anschlag näher zu untersuchen. In der Ausstellung zeigen Videos die Aussagen der Angehörigen und Überlebenden vor dem Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags. Mit diesen sehr persönlichen Videos werden die Geschichten hinter den Opfern ins Licht gerückt: Wie die Mutter von Sedat Gürbüz erzählt, dass Sedat zwei Tage vor dem Anschlag einkaufen war und diese Klamotten und Schuhe nie tragen konnte.

Seit 2005 kämpft die Familie von Oury Jalloh unermüdlich um die Aufklärung seines Todes. Innerhalb der Kampagne „Break the Silence“ werden Protestaktionen gegen Polizeigewalt organisiert sowie Gutachten und Versuche zum Fall Oury Jalloh veröffentlicht. Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh berichtet über die selbstorganisierte Aufklärung der letzten Jahre in einem Film, der in der Ausstellung zu sehen ist. 

Foto Credit: Monique Burandt

Man könnte provokant fragen, warum der Kunstverein Frankfurt als künstlerische Kulturinstitution eine solche Ausstellung kuratiert hat und ob die Untersuchungen von Forensic Architecture unter den Begriff der Kunst fallen. Der Kunstverein Frankfurt beschreibt die Ausstellung als grenzüberschreitende Kunst zum Aktivismus und zur Wissenschaft. Für Forensic Architecture bilden die Werke, die Filme, die Bilder und Installationen einen Teil ihres künstlerischen Selbstverständnisses. Diese Medien entfalten ihre eigene Ästhetik. Durch die Videos, Nachkonstruktionen, Zeug:innen- und Hinterbliebenenaussagen werden Besucher:innen in die Analysen mit eingebunden. Schlussfolgerungen werden gezogen und übrig bleiben die Details, die nüchtern und gleichzeitig erschreckend die verheerenden Folgen von Rassismus für die Gesellschaft als Ganzes zeigen. Umso wichtiger ist es, sich über diese Details zu informieren - ein Besuch der Ausstellung ist sehr zu empfehlen.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 11.09.2022. 

Unser Tipp: Am Wochenende vom 26.08.-28.08.2022 findet in Frankfurt das Museumsuferfest statt. Mit dem Button für das Fest (7€) kann man den Kunstverein Frankfurt sowie weitere Museen in Frankfurt kostenlos besuchen. Es werden am Wochenende Überblicksführungen durch die Ausstellung, Samstag und Sonntag jeweils um 12 Uhr und 17 Uhr, angeboten.

In dem Artikel beziehe ich mich auf folgende Quellen:

http://19feb-hanau.org/kontakt/   

https://de.wikipedia.org/wiki/Oury_Jalloh

http://www.fkv.de/ausstellung/three-doors-forensic-architecture-initiative-19-februar-hanau-initiative-in-gedenken-an-oury-jalloh/

https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/

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