Macht eure Augen auf! Für mehr Diversität in der Musikbranche

Fotos:
Chiara Lessing
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Einfach Musik machen. Eine schöne Vorstellung, die leider nicht unserer Realität entspricht. In der männerdominierten Musikbranche ist Ria als Musiker:in zwar keine Ausnahme, aber dennoch werden immer noch die Augen vor talentierten nicht-männlichen Personen verschlossen. Das gilt für Musiker:innen hinter dem Mikro- oder DJ-Pult, genauso wie für das Booking, Label-Arbeit und mehr. 

Mit dem Kollektiv NOW YOU KNOW möchte Ria die Vielfalt der Branche in all ihren Bereichen abdecken und Künstler:innen und Menschen aus der Musikwelt zusammenbringen. Dabei soll ein Raum geschaffen werden, in dem ein Austausch stattfinden kann, Zusammenarbeiten möglich sind und durch den man in Zukunft mindestens zehn Menschen nennen kann, wenn behauptet wird, es gäbe keine guten FLINTA*-Artists.  Welche Ziele Ria mit der Musik und dem Kollektiv hat und welche ersten Schritte Ria in der Musikbranche gegangen ist, erfahrt ihr im Interview. Das Interview ist in Zusammenarbeit mit unserer Chefredakteurin Johanna entstanden, vielen Dank dafür!

Hi Ria, wie geht’s dir?

Mir geht es sehr gut. Ich bin glücklich darüber, dass das Interview heute klappt. Wie geht’s dir?

Auch ganz gut. Ich habe heute zwar leider eine Bahn verpasst, aber sonst geht es mir gut.

Ich habe auch den Bus verpasst. (lacht)

Mit etwas Verspätung haben wir es dennoch hierher geschafft. Bevor wir über dein gegründetes Kollektiv sprechen, kommen wir zuerst zu dir. Du singst schon sehr lange, wie bist du zum Singen gekommen?

Eigentlich bin ich damit aufgewachsen. Ich habe angefangen zu singen, als ich angefangen habe zu sprechen. Als kleines Kind saß ich immer vor den Lautsprechern meines Dads und habe Musik gehört. Früher habe ich oft gehört “Du kannst gar nicht singen”. Es hat mir aber immer Spaß gemacht.

Cool, dass du trotz der negativen Kommentare drangeblieben bist. Habt ihr in der Familie viel gesungen?

Ja, schon. Meinen Eltern war es sehr wichtig, dass wir mit Musik aufwachsen. Anders als bei ihnen hatten wir musikalische Früherziehung mit Gesang.

Und du spielst, seit du 15 Jahre alt bist, live. Wie kann man sich einen Auftritt von dir vorstellen?

Das hat sich ganz schön verändert über die Zeit. Anfangs habe ich mich mit der Gitarre selbst begleitet. Irgendwann hatte ich einen Gitarristen und wir haben Covers gespielt. Dann habe ich angefangen, selbst Songs zu schreiben. Damals war ich noch in dem Genre Indie unterwegs. Einige Zeit später habe ich Panikattacken vor Auftritten bekommen und musste deswegen viel absagen. Das war eine starke Belastung für mich. Ich habe es unter anderem dank der Therapie geschafft, diese Panikattacken abzulegen. Shout-Out an meine Therapeutin. Jetzt kann ich seit 1,5 Jahren wieder live spielen und habe mittlerweile auch ein anderes Genre: RnB, Soul und Hip-Hop, in dem ich mich wohler fühle. Meine Musik war schon immer sehr emotional. In meinen Songs geht es um meine Erfahrungen, sie helfen mir, Traumata zu verarbeiten.

Auf meinen Auftritten wird geweint, es wird getanzt – es ist eine tolle Mischung. Danach kommen Leute zu mir und sagen, wie viel es ihnen bedeutet, dass ich über Themen schreibe, über die sonst nicht viele schreiben.

Wie schön, dass deine Auftritte wie deine Songs ganz eng mit Emotionen verknüpft sind. Wer oder was inspiriert dich bei deiner Musik?

Schwierig zu sagen. Zum einen meine Lebensrealität, zum anderen musikalisch das Genre und ganz viel, was wir von Schwarzen Künstler:innen lernen.

Hast du eine präferierte Atmosphäre beim Songschreiben?

Schwierig, es ist so unterschiedlich und es kommt auf die Momente an. Wenn mich gerade irgendetwas beschäftigt, finde ich dazu die Worte und drücke mich mit meiner Musik aus. Meistens ist dieser Moment so um drei, vier Uhr nachts – manchmal auch nachmittags. (lacht) 

Du hast gesagt, du spielst Gitarre, Klavier und produzierst sogar selbst. Was hat dich dazu gebracht, mit dem eigenen Produzieren anzufangen?

Ich habe beim Musikmachen bemerkt, wie schwierig es ist, Kontakte zu knüpfen. Deshalb dachte ich lange Zeit, dass ich das Ganze allein machen muss. Mittlerweile hat sich diese Denkweise mitunter wegen NOW YOU KNOW geändert. Man kann sich doch besser vernetzen.

Hat sich dein Schaffensprozess verändert, seitdem du selbst produzierst?

Eigentlich nicht so sehr. Entweder klimpere ich am Klavier oder an der Gitarre und singe dann dazu oder ich habe einen Text geschrieben und versuche passende Akkorde zu finden. Irgendwann habe ich eine Loop Station (Anm. der Redaktion: technische Geräte, die mehrere Tonspuren aufnehmen und in Endlosschleife wiedergeben) gekauft und damit verschiedene Instrumente aufgenommen.

Du hast im Vorgespräch erzählt, dass du ADHS hast. Wie beeinflusst dich ADHS in deinem Schaffensprozess?

Ich war lange undiagnostiziert, die Diagnose ADHS und Autismus hat vieles verändert. Ich kann mich mehr ernst nehmen und auf meine Bedürfnisse achten. Wenn ich im Club oder beim Auftritt merke, es wird zu laut, habe ich jetzt immer meine Ohrstöpsel oder Kopfhörer dabei. Es ist leider sehr schwierig, an Diagnosen und Expert:innen zu kommen, die sich damit auskennen. Gerade ADHS und Autismus werden oft als Krankheiten wahrgenommen, die manche „wegbehandeln“ wollen und das ist falsch. Es ist angeboren und es ist gut so, aber die Gesellschaft macht es schwierig. Das Bild von ADHS ist eher das Zappelphilipp-Syndrom. Dabei kann es sich ganz unterschiedlich präsentieren. Insbesondere bei FLINTA* oder BI*PoC zeigen sich die Symptome anders, weil sie mehr masken müssen. Masking heißt: Von klein auf wird ihnen gesagt, sie müssen sich benehmen, still sein und nicht auffallen. Bei Studien zu ADHS wurden dagegen fast nur Männer untersucht. Lange Zeit konnte ich keine Musik machen, weil ich mit der Therapie meiner posttraumatischen Belastungsstörung sehr beschäftigt war und keine Energie dafür hatte. Die psychische Erkrankung macht viel aus: Ich würde nicht über die Dinge schreiben, über die ich schreibe, wenn ich die psychische Erkrankung nicht hätte.

Wie empfindest du den aktuellen Diskurs rund um ADHS und Autismus?

In letzter Zeit gibt es mehr Aufmerksamkeit für ADHS und Autismus. Die Schattenseite davon ist aber, dass jetzt viele denken, alle haben etwas ADHS und alle sind ein bisschen autistisch. Das stimmt nicht. Jede:r kennt die Symptome und Merkmale, aber nicht bei allen Personen beeinflusst es das Leben negativ. Gerade wenn man viel masken muss, muss man Strategien entwickeln und Strukturen schaffen zur Bewältigung des Alltags. Für mich hat die Diagnose mein Leben verändert: “Okay, ich bin nicht falsch, ich bin einfach nicht neurotypisch.”

Sind die Themen Behinderungen und psychische Erkrankungen dann auch wichtig im Kollektiv NOW YOU KNOW?

Ja, auf jeden Fall. Es ist mir wichtig, dass auf diese Themen gerade in der Veranstaltungsbranche Rücksicht genommen wird. Zum Beispiel sollten immer Ohrstöpsel vor Ort sein, damit man länger an der Veranstaltung teilnehmen kann. Auch bezüglich psychischer Gesundheit sollte es Safer Spaces geben. Es gibt zum Glück immer mehr Awareness-Teams bei Veranstaltungen. In Frankfurt gibt es beispielsweise die genreübergreifende Hip-Hop-Partyreihe ccbb, die hauptsächlich an FLINTA*, BI*PoC und Queers gerichtet ist. Es gibt viele Veranstaltungen, die ich meide, weil ich mich da unwohl fühle. Ich bin queer, ich habe da so viele schlechte Erfahrungen gemacht. Wenn man mal mit einer Frau unterwegs ist, wird das komplett sexualisiert und die Grenzen überschritten.

Stimmt, in dem Kollektiv kann man sich ja sehr gut austauschen, Konzepte für Veranstaltungen überlegen und weitergeben. Du bist die Gründer:in des Kollektivs NOW YOU KNOW und hast ebenfalls einen Discord Server dazu eingerichtet. Wie kam es zu der Gründung vom Kollektiv?

Es gibt mehrere Gründe: einmal aufgrund der Benachteiligung der FLINTA*-Personen in der Musikbranche. Zahlen liefert da die Studie der USC Annenberg Inclusion Initiative: „Inclusion in the Recording Studio? Gender and Race/Ethnicity of Artists, Songwriters & Producers across 900 Popular Songs from 2012-2020“, mit der wir in der Branche gut arbeiten können. Danach sind nur 21,6 % aller Artists weiblich. Das ist echt wenig. Noch dazu kommt, dass Frauen, vor allem im Hip-Hop, überhaupt nicht ernst genommen werden. Es wird immer wieder gesagt, Frauen können nicht rappen und RnB wird belächelt. Dazu werden Frauen in der Musikindustrie häufig nur aufs Äußere reduziert. Im Austausch mit anderen FLINTA*-Artists habe ich festgestellt, dass die Erfahrungen bei vielen ähnlich wie bei mir waren.

Wir haben voll Bock Musik zu machen, aber scheitern immer wieder an irgendeinem Punkt. Entweder haben wir niemanden, der für uns produziert oder wir sind in Räumen, in denen wir uns unwohl fühlen, weil nur Männer da sind.

Dagegen sind die Männer, die in unserem Umfeld Musik machen, sehr gut untereinander vernetzt und machen regelmäßig Sessions. Es hat mich schockiert, wie vielen es so ähnlich ging wie mir. Gerade PoC und FLINTA*-Personen sind viel krasser unterrepräsentiert. Mit dem Kollektiv NOW YOU KNOW will ich dem über die komplette Industrie hinweg entgegenwirken.

Foto Credit: Chiara Lessing

Könntest du dir irgendwie erklären, warum vor allem männliche Artists so gut vernetzt sind und sich gegenseitig unterstützen?

Wenn ich das wüsste, weiß ich nicht, ob wir das Problem unbedingt hätten. Wir haben auch zu wenige Studien dazu. Es gibt Studien, die die Unterschiede zwischen Männern und Frauen beleuchten. Aber bezüglich allen gender minorities gibt es kaum Informationen. Bei den Männern funktioniert viel über Bro-Culture. Man kennt sich, man ist zusammen unterwegs und zieht alle mit. Beispielsweise bei der Gig-Vermittlung: „Meine Homies machen auch Musik, die könnt ihr dazu holen“.

An wen ist das Kollektiv gerichtet?

Vor allem an FLINTA*-Artists, die sich damit besser vernetzen können. Das Kollektiv ist aber auch an alle gerichtet, die irgendwie mit dem Musikbusiness zu tun haben, beispielsweise Manager:innen, Fotograf:innen, Videograf:innen, Producer:innen und so weiter. 2020 gab es nach der oben genannten Studie nur 2,6 % weibliche Producerinnen. Das ist halt sehr frustrierend, weil das Musikgeschäft nur mit Männern oft keine Safer Spaces sind. Ich habe schon oft erlebt, dass männliche Producer nur mit mir arbeiten wollten, weil sie eigentlich etwas von mir wollten und nicht von meiner Musik. Die MeToo-Bewegung im Deutschrap, die letztes Jahr ein großes Thema war, wurde schnell wieder vergessen und es wurden keine Konsequenzen gezogen. Während Bewegungen nur kurz in der Presse sind, bleibt das Kollektiv dauerhaft. 

Das Kollektiv soll also auch Menschen aus dem Business selbst repräsentieren wie Manager:innen, Producer:innen etc. Warum ist es wichtig, dass auch diese Positionen divers besetzt sind?

Man fühlt sich oft eingeschüchtert, wenn man an einem Tisch voller Männer sitzt. Musik ist für mich etwas sehr Persönliches. Ich verarbeite meine Erfahrungen, in denen es auch um Übergriffe von Männern geht. Dann ist es angenehmer, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die es verstehen und man sich nicht dafür rechtfertigen muss, warum man darüber schreibt. Im Austausch mit anderen ist mir aufgefallen, dass sich viele mit FLINTA*-Personen in diesen Positionen wohler fühlen.

Erinnerst du dich, wann du das erste Mal bewusst gemerkt hast, dass es da eine Ungleichheit gibt?

Ich erzähle es mal etwas anonymisiert. Ein männlicher Produzent hat mir mal erzählt, dass sie gerade einen Gig planen und female Artists suchen. Er hat mich gefragt, ob ich jemanden kenne. Ich saß direkt vor ihm und dachte mir: „Hallo? Ich sitze doch direkt vor dir, warum fragst du mich nicht?“. Man wird als Artist vergessen, obwohl man so viele um sich hat. Die eigene Präsenz wird gar nicht wahrgenommen. Dazu kommt das Gefühl, dass man generell nicht reinpasst oder dazugehört. Und im Austausch mit anderen habe ich dann bemerkt: Nicht nur ich fühle das, sondern andere auch.

Warum heißt das Kollektiv NOW YOU KNOW – Jetzt weißt du’s?

Das ist eine Anspielung genau darauf. Es wird immer gesagt, wir kennen keine weiblichen oder FLINTA*-Artists.

Macht eure Augen auf – jetzt wisst ihr es: Hier haben wir eine komplette Plattform an FLINTA*-Personen in der Industrie. Es gibt keine Ausreden mehr im Rhein-Main-Gebiet.

Das Kollektiv ist vor allem regional ausgelegt?

Ja, es gibt auch schon internationale und deutschlandweite Kollektive, die vor allem die Vernetzung unter Frauen unterstützen wollen. Zum Beispiel: Music Women* Germany und She Said. Aber gerade das Rhein-Main-Gebiet ist musikalisch sehr divers und eine der Geburtsstätten von Hip-Hop. Hier gibt es so viele krasse Artists. Es ist gut für das Kollektiv, diese regionale Connection zu haben.

Im Austausch mit anderen FLINTA* Personen wird ja dementsprechend viel über die Ungleichheiten geredet, aber wie empfindest du das abseits davon? Wird darüber generell gesprochen?

Mit der MeToo-Bewegung im Deutschrap Juni 2021 wurde schon darüber gesprochen. Jetzt tatsächlich nur noch seltener. Leute, die davon nicht betroffen sind, reden noch weniger über die Ungleichheiten. Sie verstehen auch teilweise gar nicht, warum man sich nicht wohlfühlt, nur mit Männern zu arbeiten oder warum man gerne diese Vernetzung unter den FLINTA*-Personen hätte. Ich habe mich auch viel mit dem weiblichen DJ-Kollektiv GG Vybe unterhalten. Ich kann mir die Musikszene ohne GG Vybe nicht mehr vorstellen. Sie veranstalten Partys, bei denen man sich einfach wohlfühlt. Man kann tanzen, ohne den Male Gaze die ganze Zeit im Hinterkopf zu haben. Da habe ich gemerkt, wie wichtig Kollektive sind und was wir schaffen können, wenn wir uns vernetzen. Deshalb ist es mir wichtig, das Kollektiv für alle FLINTA* zu machen. Was die anderen davon denken, ist mir egal, aber es ist mir wichtig, dass wir den Support von männlichen Artists haben. Damit bekommen wir mehr Aufmerksamkeit und den Raum, den die männlichen Artists schon haben.

Was würdest du dir von dem Diskurs wünschen?

Ich wünsche mir, dass der Diskurs um die Ungleichheit nicht von den Männern geführt wird, sondern wir auch einen Platz an dem Tisch bekommen. Damit wir für uns selbst sprechen können. FLINTA*-Personen machen so unterschiedliche Erfahrungen. Deswegen ist es so wichtig, dass jede Lebensrealität gesehen und gehört wird.

Wenn du für einen Tag das Musikbusiness gestalten und verändern könntest, was würdest du tun?

Also (lacht): Ich finde es sehr schwierig, dass durch Spotify und anderes die Musik sehr ökonomisiert wurde. Musik ist Kunst und Kunst sollte nie durch den Kapitalismus bestimmt werden. Mittlerweile ist man als Musiker:in nur erfolgreich, wenn man in einem Label ist oder Playlist-Placements bekommt. Ohne Connections ist es schwierig, erfolgreich zu werden. Deshalb würde ich das auf jeden Fall verbieten. Und die Zugänge müssen geöffnet werden, indem der Nachwuchs gefördert wird, beispielsweise mit Producing-, DJ- oder Songwriting-Workshops. Die Technik ist so teuer, nicht alle haben das Geld dafür. Da passiert schon etwas, es muss aber noch mehr passieren. Mit diesen Workshops kann man gut in die Szene reinkommen und die Kinder und Jugendlichen sehen Vorbilder. Wir brauchen diese Vorbilder.

Was wäre dein Ziel mit dem Kollektiv NOW YOU KNOW?

Mein primäres Ziel ist, dass wir so eine große und breite Community schaffen, die in verschiedenen Bereichen im Musikbusiness aktiv ist. Damit wir immer Ansprechpartner:innen haben. Indem wir uns vernetzen und zusammenarbeiten, müssen wir mit den Ungleichheiten nicht allein fertig werden. Die Studie zeigt außerdem, dass von allen Duos nur 7,1 % und von allen Bands nur 7,3 % rein weiblich sind. Der Großteil der weiblichen Artists sind tatsächlich Solo Artists. Auf lange Zeit kann sich mehr verändern, wenn die FLINTA*-Artists präsenter werden und nicht nur als Solo Artists unterwegs sind.

Das erinnert mich an die neue Verfilmung von Arielle. Es war schön zu sehen, wie die Kinder sich gefreut haben, endlich eine schwarze Arielle zu sehen. Repräsentation ist so wichtig, damit Mädchen auch denken: „Stimmt, ich könnte auch Schlagzeugspielerin oder Bassistin werden“.

Ja, genau. Wie Spice Girls, Britney Spears oder No Angels früher die Musikindustrie verändert und geprägt haben. Das war so wichtig und davon brauchen wir noch mehr. Sie sind große Idole von so vielen Personen.

Wenn man auch im Musikbusiness tätig ist und dem Kollektiv beitreten wollen würde, welche Schritte müsste man machen?

Die erste Anlaufstelle wäre unser Instagram Account NOW YOU KNOW. Da kann man mich dann über den Account für den Discord-Link kontaktieren. Und im Discord Channel findet dann der Austausch statt. Das Kollektiv ist aber sehr jung und frisch. Ich finde es gerade auch schwierig, da konstant Arbeit hineinzustecken, weil ich mehrere Jobs habe, studiere und selbst Musik mache. Der Plan ist, dass man Personen aus dem Musikbusiness vorstellt und man sich kennenlernen kann.

Das ist auch viel auf deiner eigenen privaten Agenda. Was ist dein Ziel mit der eigenen Musik?

Mein Ziel ist es, mit meiner Musik Leuten einen Raum zu bieten, in dem sie merken, dass sie nicht allein sind. 

Schön! Du spielst vor allem im Rhein-Main-Gebiet und kennst dich hier entsprechend gut aus. Wir als Magazin wollen die verschiedenen Kunst- und Kulturformen repräsentieren. Hast du eine weitere Kunstform, die du gerne magst neben der Musik?

Also, primär liebe ich die Musik. Früher war ich auch viel in Museen und Kunstausstellungen. Durch Corona hat sich das geändert. Außerdem finde ich die Zugänge in diesen Bereichen schwieriger. Kunst ist oft sehr elitär, aber da verändert sich auch viel, zum Beispiel durch die PART in Mainz: Party und Kunst finden gleichzeitig statt. Dort stellen Studierende und kleinere Artists aus. (Anm. der Redaktion: Die nächste PART findet abends am 27.10.22 in Mainz statt.)

Super Tipp! Kennst du noch weitere Kulturorte in Mainz, die du unseren Leser:innen empfehlen kannst?

Im Gutleut legen regelmäßig gute DJs auf. GG Vybe war da schon häufig und im oberen Stockwerk finden Ausstellungen von kleineren Artists statt. Das Postlager hat mittlerweile unterschiedliche Veranstaltungen, beispielsweise das BLEND Festival. Was noch (überlegt)? Vor Kurzem habe ich im Kulturclub Schon Schön gespielt, da sind unter der Woche Konzerte: montags Jazz, dienstags Indie-Bands. Es gibt so viel in Mainz mittlerweile.

Was steht bei dir demnächst an Projekten an?

Erstmal wollen wir das Kollektiv NOW YOU KNOW aufbauen und strukturieren. Persönlich will ich es schaffen, Musik aufzunehmen und zu releasen. Ich habe schon sehr viel geschrieben, aber noch nicht released. Was unter anderem an den bereits genannten Problemen und Erfahrungen liegt. Die eigene Musik zu releasen ist gerade mein größtes Ziel.

Wäre es die erste Single, die du released und kannst du uns schon sagen, wann du sie ungefähr veröffentlichen würdest?

Ja, es wäre die erste Single, aber das Datum liegt noch in der Zukunft. Aber genau dabei könnte eben das Kollektiv helfen. Damit man sich besser vernetzen und zusammenarbeiten kann.

Cool, ich freue mich schon auf die Single! Wir sind leider schon am Ende unseres Interviews angekommen. Ich habe noch eine Frage von unserer letzten Interviewpartnerin LuSyd: Was siehst du als deine Bestimmung in diesem Leben?

Mhm, ich finde es schwierig, nur eine Bestimmung für das gesamte Leben zu haben.

Gerade habe ich die Bestimmung, durch meine Musik und meine Projekte Menschen das Gefühl zu geben, dass sie nicht allein sind und dass sie einen besseren Umgang mit psychischen Erkrankungen lernen, um sie zu normalisieren.

Vielen lieben Dank an Ria für das schöne Interview, den Einblick in dein künstlerisches Schaffen und deine wichtige Arbeit für das Kollektiv NOW YOU KNOW, die hoffentlich alte Strukturen im Musikbusiness aufbrechen wird. Ich hoffe, ihr konntet beim Lesen genauso viel mitnehmen wie ich. Vor allem habe ich sehr viel Lust bekommen, in einem der genannten Safer Spaces sorgenfrei feiern zu gehen! 

Ihr findet Ria und das Kollektiv NOW YOU KNOW auf Instagram.

Die genannte Studie findet ihr hier.

Das Interview ist in Zusammenarbeit mit unserer Chefredakteurin Johanna entstanden, vielen Dank dafür!

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Einfach Musik machen. Eine schöne Vorstellung, die leider nicht unserer Realität entspricht. In der männerdominierten Musikbranche ist Ria als Musiker:in zwar keine Ausnahme, aber dennoch werden immer noch die Augen vor talentierten nicht-männlichen Personen verschlossen. Das gilt für Musiker:innen hinter dem Mikro- oder DJ-Pult, genauso wie für das Booking, Label-Arbeit und mehr. 

Mit dem Kollektiv NOW YOU KNOW möchte Ria die Vielfalt der Branche in all ihren Bereichen abdecken und Künstler:innen und Menschen aus der Musikwelt zusammenbringen. Dabei soll ein Raum geschaffen werden, in dem ein Austausch stattfinden kann, Zusammenarbeiten möglich sind und durch den man in Zukunft mindestens zehn Menschen nennen kann, wenn behauptet wird, es gäbe keine guten FLINTA*-Artists.  Welche Ziele Ria mit der Musik und dem Kollektiv hat und welche ersten Schritte Ria in der Musikbranche gegangen ist, erfahrt ihr im Interview. Das Interview ist in Zusammenarbeit mit unserer Chefredakteurin Johanna entstanden, vielen Dank dafür!

Hi Ria, wie geht’s dir?

Mir geht es sehr gut. Ich bin glücklich darüber, dass das Interview heute klappt. Wie geht’s dir?

Auch ganz gut. Ich habe heute zwar leider eine Bahn verpasst, aber sonst geht es mir gut.

Ich habe auch den Bus verpasst. (lacht)

Mit etwas Verspätung haben wir es dennoch hierher geschafft. Bevor wir über dein gegründetes Kollektiv sprechen, kommen wir zuerst zu dir. Du singst schon sehr lange, wie bist du zum Singen gekommen?

Eigentlich bin ich damit aufgewachsen. Ich habe angefangen zu singen, als ich angefangen habe zu sprechen. Als kleines Kind saß ich immer vor den Lautsprechern meines Dads und habe Musik gehört. Früher habe ich oft gehört “Du kannst gar nicht singen”. Es hat mir aber immer Spaß gemacht.

Cool, dass du trotz der negativen Kommentare drangeblieben bist. Habt ihr in der Familie viel gesungen?

Ja, schon. Meinen Eltern war es sehr wichtig, dass wir mit Musik aufwachsen. Anders als bei ihnen hatten wir musikalische Früherziehung mit Gesang.

Und du spielst, seit du 15 Jahre alt bist, live. Wie kann man sich einen Auftritt von dir vorstellen?

Das hat sich ganz schön verändert über die Zeit. Anfangs habe ich mich mit der Gitarre selbst begleitet. Irgendwann hatte ich einen Gitarristen und wir haben Covers gespielt. Dann habe ich angefangen, selbst Songs zu schreiben. Damals war ich noch in dem Genre Indie unterwegs. Einige Zeit später habe ich Panikattacken vor Auftritten bekommen und musste deswegen viel absagen. Das war eine starke Belastung für mich. Ich habe es unter anderem dank der Therapie geschafft, diese Panikattacken abzulegen. Shout-Out an meine Therapeutin. Jetzt kann ich seit 1,5 Jahren wieder live spielen und habe mittlerweile auch ein anderes Genre: RnB, Soul und Hip-Hop, in dem ich mich wohler fühle. Meine Musik war schon immer sehr emotional. In meinen Songs geht es um meine Erfahrungen, sie helfen mir, Traumata zu verarbeiten.

Auf meinen Auftritten wird geweint, es wird getanzt – es ist eine tolle Mischung. Danach kommen Leute zu mir und sagen, wie viel es ihnen bedeutet, dass ich über Themen schreibe, über die sonst nicht viele schreiben.

Wie schön, dass deine Auftritte wie deine Songs ganz eng mit Emotionen verknüpft sind. Wer oder was inspiriert dich bei deiner Musik?

Schwierig zu sagen. Zum einen meine Lebensrealität, zum anderen musikalisch das Genre und ganz viel, was wir von Schwarzen Künstler:innen lernen.

Hast du eine präferierte Atmosphäre beim Songschreiben?

Schwierig, es ist so unterschiedlich und es kommt auf die Momente an. Wenn mich gerade irgendetwas beschäftigt, finde ich dazu die Worte und drücke mich mit meiner Musik aus. Meistens ist dieser Moment so um drei, vier Uhr nachts – manchmal auch nachmittags. (lacht) 

Du hast gesagt, du spielst Gitarre, Klavier und produzierst sogar selbst. Was hat dich dazu gebracht, mit dem eigenen Produzieren anzufangen?

Ich habe beim Musikmachen bemerkt, wie schwierig es ist, Kontakte zu knüpfen. Deshalb dachte ich lange Zeit, dass ich das Ganze allein machen muss. Mittlerweile hat sich diese Denkweise mitunter wegen NOW YOU KNOW geändert. Man kann sich doch besser vernetzen.

Hat sich dein Schaffensprozess verändert, seitdem du selbst produzierst?

Eigentlich nicht so sehr. Entweder klimpere ich am Klavier oder an der Gitarre und singe dann dazu oder ich habe einen Text geschrieben und versuche passende Akkorde zu finden. Irgendwann habe ich eine Loop Station (Anm. der Redaktion: technische Geräte, die mehrere Tonspuren aufnehmen und in Endlosschleife wiedergeben) gekauft und damit verschiedene Instrumente aufgenommen.

Du hast im Vorgespräch erzählt, dass du ADHS hast. Wie beeinflusst dich ADHS in deinem Schaffensprozess?

Ich war lange undiagnostiziert, die Diagnose ADHS und Autismus hat vieles verändert. Ich kann mich mehr ernst nehmen und auf meine Bedürfnisse achten. Wenn ich im Club oder beim Auftritt merke, es wird zu laut, habe ich jetzt immer meine Ohrstöpsel oder Kopfhörer dabei. Es ist leider sehr schwierig, an Diagnosen und Expert:innen zu kommen, die sich damit auskennen. Gerade ADHS und Autismus werden oft als Krankheiten wahrgenommen, die manche „wegbehandeln“ wollen und das ist falsch. Es ist angeboren und es ist gut so, aber die Gesellschaft macht es schwierig. Das Bild von ADHS ist eher das Zappelphilipp-Syndrom. Dabei kann es sich ganz unterschiedlich präsentieren. Insbesondere bei FLINTA* oder BI*PoC zeigen sich die Symptome anders, weil sie mehr masken müssen. Masking heißt: Von klein auf wird ihnen gesagt, sie müssen sich benehmen, still sein und nicht auffallen. Bei Studien zu ADHS wurden dagegen fast nur Männer untersucht. Lange Zeit konnte ich keine Musik machen, weil ich mit der Therapie meiner posttraumatischen Belastungsstörung sehr beschäftigt war und keine Energie dafür hatte. Die psychische Erkrankung macht viel aus: Ich würde nicht über die Dinge schreiben, über die ich schreibe, wenn ich die psychische Erkrankung nicht hätte.

Wie empfindest du den aktuellen Diskurs rund um ADHS und Autismus?

In letzter Zeit gibt es mehr Aufmerksamkeit für ADHS und Autismus. Die Schattenseite davon ist aber, dass jetzt viele denken, alle haben etwas ADHS und alle sind ein bisschen autistisch. Das stimmt nicht. Jede:r kennt die Symptome und Merkmale, aber nicht bei allen Personen beeinflusst es das Leben negativ. Gerade wenn man viel masken muss, muss man Strategien entwickeln und Strukturen schaffen zur Bewältigung des Alltags. Für mich hat die Diagnose mein Leben verändert: “Okay, ich bin nicht falsch, ich bin einfach nicht neurotypisch.”

Sind die Themen Behinderungen und psychische Erkrankungen dann auch wichtig im Kollektiv NOW YOU KNOW?

Ja, auf jeden Fall. Es ist mir wichtig, dass auf diese Themen gerade in der Veranstaltungsbranche Rücksicht genommen wird. Zum Beispiel sollten immer Ohrstöpsel vor Ort sein, damit man länger an der Veranstaltung teilnehmen kann. Auch bezüglich psychischer Gesundheit sollte es Safer Spaces geben. Es gibt zum Glück immer mehr Awareness-Teams bei Veranstaltungen. In Frankfurt gibt es beispielsweise die genreübergreifende Hip-Hop-Partyreihe ccbb, die hauptsächlich an FLINTA*, BI*PoC und Queers gerichtet ist. Es gibt viele Veranstaltungen, die ich meide, weil ich mich da unwohl fühle. Ich bin queer, ich habe da so viele schlechte Erfahrungen gemacht. Wenn man mal mit einer Frau unterwegs ist, wird das komplett sexualisiert und die Grenzen überschritten.

Stimmt, in dem Kollektiv kann man sich ja sehr gut austauschen, Konzepte für Veranstaltungen überlegen und weitergeben. Du bist die Gründer:in des Kollektivs NOW YOU KNOW und hast ebenfalls einen Discord Server dazu eingerichtet. Wie kam es zu der Gründung vom Kollektiv?

Es gibt mehrere Gründe: einmal aufgrund der Benachteiligung der FLINTA*-Personen in der Musikbranche. Zahlen liefert da die Studie der USC Annenberg Inclusion Initiative: „Inclusion in the Recording Studio? Gender and Race/Ethnicity of Artists, Songwriters & Producers across 900 Popular Songs from 2012-2020“, mit der wir in der Branche gut arbeiten können. Danach sind nur 21,6 % aller Artists weiblich. Das ist echt wenig. Noch dazu kommt, dass Frauen, vor allem im Hip-Hop, überhaupt nicht ernst genommen werden. Es wird immer wieder gesagt, Frauen können nicht rappen und RnB wird belächelt. Dazu werden Frauen in der Musikindustrie häufig nur aufs Äußere reduziert. Im Austausch mit anderen FLINTA*-Artists habe ich festgestellt, dass die Erfahrungen bei vielen ähnlich wie bei mir waren.

Wir haben voll Bock Musik zu machen, aber scheitern immer wieder an irgendeinem Punkt. Entweder haben wir niemanden, der für uns produziert oder wir sind in Räumen, in denen wir uns unwohl fühlen, weil nur Männer da sind.

Dagegen sind die Männer, die in unserem Umfeld Musik machen, sehr gut untereinander vernetzt und machen regelmäßig Sessions. Es hat mich schockiert, wie vielen es so ähnlich ging wie mir. Gerade PoC und FLINTA*-Personen sind viel krasser unterrepräsentiert. Mit dem Kollektiv NOW YOU KNOW will ich dem über die komplette Industrie hinweg entgegenwirken.

Foto Credit: Chiara Lessing

Könntest du dir irgendwie erklären, warum vor allem männliche Artists so gut vernetzt sind und sich gegenseitig unterstützen?

Wenn ich das wüsste, weiß ich nicht, ob wir das Problem unbedingt hätten. Wir haben auch zu wenige Studien dazu. Es gibt Studien, die die Unterschiede zwischen Männern und Frauen beleuchten. Aber bezüglich allen gender minorities gibt es kaum Informationen. Bei den Männern funktioniert viel über Bro-Culture. Man kennt sich, man ist zusammen unterwegs und zieht alle mit. Beispielsweise bei der Gig-Vermittlung: „Meine Homies machen auch Musik, die könnt ihr dazu holen“.

An wen ist das Kollektiv gerichtet?

Vor allem an FLINTA*-Artists, die sich damit besser vernetzen können. Das Kollektiv ist aber auch an alle gerichtet, die irgendwie mit dem Musikbusiness zu tun haben, beispielsweise Manager:innen, Fotograf:innen, Videograf:innen, Producer:innen und so weiter. 2020 gab es nach der oben genannten Studie nur 2,6 % weibliche Producerinnen. Das ist halt sehr frustrierend, weil das Musikgeschäft nur mit Männern oft keine Safer Spaces sind. Ich habe schon oft erlebt, dass männliche Producer nur mit mir arbeiten wollten, weil sie eigentlich etwas von mir wollten und nicht von meiner Musik. Die MeToo-Bewegung im Deutschrap, die letztes Jahr ein großes Thema war, wurde schnell wieder vergessen und es wurden keine Konsequenzen gezogen. Während Bewegungen nur kurz in der Presse sind, bleibt das Kollektiv dauerhaft. 

Das Kollektiv soll also auch Menschen aus dem Business selbst repräsentieren wie Manager:innen, Producer:innen etc. Warum ist es wichtig, dass auch diese Positionen divers besetzt sind?

Man fühlt sich oft eingeschüchtert, wenn man an einem Tisch voller Männer sitzt. Musik ist für mich etwas sehr Persönliches. Ich verarbeite meine Erfahrungen, in denen es auch um Übergriffe von Männern geht. Dann ist es angenehmer, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die es verstehen und man sich nicht dafür rechtfertigen muss, warum man darüber schreibt. Im Austausch mit anderen ist mir aufgefallen, dass sich viele mit FLINTA*-Personen in diesen Positionen wohler fühlen.

Erinnerst du dich, wann du das erste Mal bewusst gemerkt hast, dass es da eine Ungleichheit gibt?

Ich erzähle es mal etwas anonymisiert. Ein männlicher Produzent hat mir mal erzählt, dass sie gerade einen Gig planen und female Artists suchen. Er hat mich gefragt, ob ich jemanden kenne. Ich saß direkt vor ihm und dachte mir: „Hallo? Ich sitze doch direkt vor dir, warum fragst du mich nicht?“. Man wird als Artist vergessen, obwohl man so viele um sich hat. Die eigene Präsenz wird gar nicht wahrgenommen. Dazu kommt das Gefühl, dass man generell nicht reinpasst oder dazugehört. Und im Austausch mit anderen habe ich dann bemerkt: Nicht nur ich fühle das, sondern andere auch.

Warum heißt das Kollektiv NOW YOU KNOW – Jetzt weißt du’s?

Das ist eine Anspielung genau darauf. Es wird immer gesagt, wir kennen keine weiblichen oder FLINTA*-Artists.

Macht eure Augen auf – jetzt wisst ihr es: Hier haben wir eine komplette Plattform an FLINTA*-Personen in der Industrie. Es gibt keine Ausreden mehr im Rhein-Main-Gebiet.

Das Kollektiv ist vor allem regional ausgelegt?

Ja, es gibt auch schon internationale und deutschlandweite Kollektive, die vor allem die Vernetzung unter Frauen unterstützen wollen. Zum Beispiel: Music Women* Germany und She Said. Aber gerade das Rhein-Main-Gebiet ist musikalisch sehr divers und eine der Geburtsstätten von Hip-Hop. Hier gibt es so viele krasse Artists. Es ist gut für das Kollektiv, diese regionale Connection zu haben.

Im Austausch mit anderen FLINTA* Personen wird ja dementsprechend viel über die Ungleichheiten geredet, aber wie empfindest du das abseits davon? Wird darüber generell gesprochen?

Mit der MeToo-Bewegung im Deutschrap Juni 2021 wurde schon darüber gesprochen. Jetzt tatsächlich nur noch seltener. Leute, die davon nicht betroffen sind, reden noch weniger über die Ungleichheiten. Sie verstehen auch teilweise gar nicht, warum man sich nicht wohlfühlt, nur mit Männern zu arbeiten oder warum man gerne diese Vernetzung unter den FLINTA*-Personen hätte. Ich habe mich auch viel mit dem weiblichen DJ-Kollektiv GG Vybe unterhalten. Ich kann mir die Musikszene ohne GG Vybe nicht mehr vorstellen. Sie veranstalten Partys, bei denen man sich einfach wohlfühlt. Man kann tanzen, ohne den Male Gaze die ganze Zeit im Hinterkopf zu haben. Da habe ich gemerkt, wie wichtig Kollektive sind und was wir schaffen können, wenn wir uns vernetzen. Deshalb ist es mir wichtig, das Kollektiv für alle FLINTA* zu machen. Was die anderen davon denken, ist mir egal, aber es ist mir wichtig, dass wir den Support von männlichen Artists haben. Damit bekommen wir mehr Aufmerksamkeit und den Raum, den die männlichen Artists schon haben.

Was würdest du dir von dem Diskurs wünschen?

Ich wünsche mir, dass der Diskurs um die Ungleichheit nicht von den Männern geführt wird, sondern wir auch einen Platz an dem Tisch bekommen. Damit wir für uns selbst sprechen können. FLINTA*-Personen machen so unterschiedliche Erfahrungen. Deswegen ist es so wichtig, dass jede Lebensrealität gesehen und gehört wird.

Wenn du für einen Tag das Musikbusiness gestalten und verändern könntest, was würdest du tun?

Also (lacht): Ich finde es sehr schwierig, dass durch Spotify und anderes die Musik sehr ökonomisiert wurde. Musik ist Kunst und Kunst sollte nie durch den Kapitalismus bestimmt werden. Mittlerweile ist man als Musiker:in nur erfolgreich, wenn man in einem Label ist oder Playlist-Placements bekommt. Ohne Connections ist es schwierig, erfolgreich zu werden. Deshalb würde ich das auf jeden Fall verbieten. Und die Zugänge müssen geöffnet werden, indem der Nachwuchs gefördert wird, beispielsweise mit Producing-, DJ- oder Songwriting-Workshops. Die Technik ist so teuer, nicht alle haben das Geld dafür. Da passiert schon etwas, es muss aber noch mehr passieren. Mit diesen Workshops kann man gut in die Szene reinkommen und die Kinder und Jugendlichen sehen Vorbilder. Wir brauchen diese Vorbilder.

Was wäre dein Ziel mit dem Kollektiv NOW YOU KNOW?

Mein primäres Ziel ist, dass wir so eine große und breite Community schaffen, die in verschiedenen Bereichen im Musikbusiness aktiv ist. Damit wir immer Ansprechpartner:innen haben. Indem wir uns vernetzen und zusammenarbeiten, müssen wir mit den Ungleichheiten nicht allein fertig werden. Die Studie zeigt außerdem, dass von allen Duos nur 7,1 % und von allen Bands nur 7,3 % rein weiblich sind. Der Großteil der weiblichen Artists sind tatsächlich Solo Artists. Auf lange Zeit kann sich mehr verändern, wenn die FLINTA*-Artists präsenter werden und nicht nur als Solo Artists unterwegs sind.

Das erinnert mich an die neue Verfilmung von Arielle. Es war schön zu sehen, wie die Kinder sich gefreut haben, endlich eine schwarze Arielle zu sehen. Repräsentation ist so wichtig, damit Mädchen auch denken: „Stimmt, ich könnte auch Schlagzeugspielerin oder Bassistin werden“.

Ja, genau. Wie Spice Girls, Britney Spears oder No Angels früher die Musikindustrie verändert und geprägt haben. Das war so wichtig und davon brauchen wir noch mehr. Sie sind große Idole von so vielen Personen.

Wenn man auch im Musikbusiness tätig ist und dem Kollektiv beitreten wollen würde, welche Schritte müsste man machen?

Die erste Anlaufstelle wäre unser Instagram Account NOW YOU KNOW. Da kann man mich dann über den Account für den Discord-Link kontaktieren. Und im Discord Channel findet dann der Austausch statt. Das Kollektiv ist aber sehr jung und frisch. Ich finde es gerade auch schwierig, da konstant Arbeit hineinzustecken, weil ich mehrere Jobs habe, studiere und selbst Musik mache. Der Plan ist, dass man Personen aus dem Musikbusiness vorstellt und man sich kennenlernen kann.

Das ist auch viel auf deiner eigenen privaten Agenda. Was ist dein Ziel mit der eigenen Musik?

Mein Ziel ist es, mit meiner Musik Leuten einen Raum zu bieten, in dem sie merken, dass sie nicht allein sind. 

Schön! Du spielst vor allem im Rhein-Main-Gebiet und kennst dich hier entsprechend gut aus. Wir als Magazin wollen die verschiedenen Kunst- und Kulturformen repräsentieren. Hast du eine weitere Kunstform, die du gerne magst neben der Musik?

Also, primär liebe ich die Musik. Früher war ich auch viel in Museen und Kunstausstellungen. Durch Corona hat sich das geändert. Außerdem finde ich die Zugänge in diesen Bereichen schwieriger. Kunst ist oft sehr elitär, aber da verändert sich auch viel, zum Beispiel durch die PART in Mainz: Party und Kunst finden gleichzeitig statt. Dort stellen Studierende und kleinere Artists aus. (Anm. der Redaktion: Die nächste PART findet abends am 27.10.22 in Mainz statt.)

Super Tipp! Kennst du noch weitere Kulturorte in Mainz, die du unseren Leser:innen empfehlen kannst?

Im Gutleut legen regelmäßig gute DJs auf. GG Vybe war da schon häufig und im oberen Stockwerk finden Ausstellungen von kleineren Artists statt. Das Postlager hat mittlerweile unterschiedliche Veranstaltungen, beispielsweise das BLEND Festival. Was noch (überlegt)? Vor Kurzem habe ich im Kulturclub Schon Schön gespielt, da sind unter der Woche Konzerte: montags Jazz, dienstags Indie-Bands. Es gibt so viel in Mainz mittlerweile.

Was steht bei dir demnächst an Projekten an?

Erstmal wollen wir das Kollektiv NOW YOU KNOW aufbauen und strukturieren. Persönlich will ich es schaffen, Musik aufzunehmen und zu releasen. Ich habe schon sehr viel geschrieben, aber noch nicht released. Was unter anderem an den bereits genannten Problemen und Erfahrungen liegt. Die eigene Musik zu releasen ist gerade mein größtes Ziel.

Wäre es die erste Single, die du released und kannst du uns schon sagen, wann du sie ungefähr veröffentlichen würdest?

Ja, es wäre die erste Single, aber das Datum liegt noch in der Zukunft. Aber genau dabei könnte eben das Kollektiv helfen. Damit man sich besser vernetzen und zusammenarbeiten kann.

Cool, ich freue mich schon auf die Single! Wir sind leider schon am Ende unseres Interviews angekommen. Ich habe noch eine Frage von unserer letzten Interviewpartnerin LuSyd: Was siehst du als deine Bestimmung in diesem Leben?

Mhm, ich finde es schwierig, nur eine Bestimmung für das gesamte Leben zu haben.

Gerade habe ich die Bestimmung, durch meine Musik und meine Projekte Menschen das Gefühl zu geben, dass sie nicht allein sind und dass sie einen besseren Umgang mit psychischen Erkrankungen lernen, um sie zu normalisieren.

Vielen lieben Dank an Ria für das schöne Interview, den Einblick in dein künstlerisches Schaffen und deine wichtige Arbeit für das Kollektiv NOW YOU KNOW, die hoffentlich alte Strukturen im Musikbusiness aufbrechen wird. Ich hoffe, ihr konntet beim Lesen genauso viel mitnehmen wie ich. Vor allem habe ich sehr viel Lust bekommen, in einem der genannten Safer Spaces sorgenfrei feiern zu gehen! 

Ihr findet Ria und das Kollektiv NOW YOU KNOW auf Instagram.

Die genannte Studie findet ihr hier.

Das Interview ist in Zusammenarbeit mit unserer Chefredakteurin Johanna entstanden, vielen Dank dafür!

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